Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


Definitionen

Forschungsbestand

Die Online-Datenbank stellt die Provenienzen von rund 500 Werken der klassischen Moderne vor, die im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts zur Galerie des 20. Jahrhunderts (West) bearbeitet wurden. Bei den untersuchten Werken handelt es sich um Kunstwerke im Eigentum des Landes Berlin, die sich heute als Dauerleihgaben bei den Staatlichen Museen zu Berlin befinden: rund 160 Gemälde (darunter 2 Textilarbeiten) und 50 Skulpturen in der Nationalgalerie sowie 140 Zeichnungen/Aquarelle und 150 druckgraphische Arbeiten im Kupferstichkabinett. Der Forschungsauftrag bestand in der Auffindung möglicher NS-verfolgungsbedingt entzogener Kunstwerke.

Während das aus dem Projekt heraus entstandene Buch sich mit dem geschichtlichen Hintergrund und der gesamten, rund 1.700 Positionen umfassenden Kunstsammlung der Galerie des 20. Jahrhunderts befasst, sind die auf der Website vorgestellten Arbeiten nach Kriterien der Provenienzforschung ausgewählt. Werke der Nachkriegszeit und solche, die nicht Gegenstand des Projektes waren, weil sie heute in anderen Berliner Einrichtungen verwahrt werden, sind nicht in der Online-Datenbank zu finden.

Der in der Datenbank erfasste Kunstbestand wurde in den Jahren 1949 bis 1968 erworben. Eine Ausnahme bilden 40 Werke, deren Ankäufe nach 1968 aus jenem Etat finanziert wurden, den der Berliner Senat nach der Auflösung der Galerie des 20. Jahrhunderts für Ankäufe der nun „Vereinigten Kunstsammlungen“ bereitstellte, vorwiegend aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Aufnahme fanden hierbei nur vor 1945 entstandene Werke, die in das noch bis 2003 weitergeführte Inventarbuch der „Kunstwerke Berlins bei den Staatlichen Museen“ (ehemals Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts – West) eingetragen wurden.

Namenskürzel und Dank

Die Recherchen und das Verfassen der Werkeinträge übernahmen Hanna Strzoda (HS) und Christina Thomson (CT). Die Autorinnen wurden bei ihren Recherchen von zahlreichen Provenienzforschern, Wissenschaftlern, Kunstexperten, Galeristen, Zeitzeugen und anderen Personen unterstützt, denen hiermit herzlich gedankt sei. Weiterer Dank geht an Lisa Quade, Antonio Rogus, Petra Winter und Nadine Bauer, die an der inhaltlichen Erarbeitung der Website maßgeblich beteiligt waren.

Quellen

Die Informationen zu den einzelnen Werken speisen sich aus einer Fülle von Primär- und Sekundärquellen. Als Grundlage zur Identifizierung des eigentlichen Forschungsbestandes dienten vor allem die Sammlungskataloge, Inventarbücher, Karteien und Archivmaterialien der Galerie des 20. Jahrhunderts, die heute im Archiv der Berlinischen Galerie, des Landesarchivs Berlin und des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin verwahrt werden, sowie diverse Listen, die 1968 anlässlich der Übergabe der Kunstwerke an die Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz erstellt wurden und sich heute bei der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten beziehungsweise der Nationalgalerie befinden. Diese Quellen bergen für die meisten Werke einzelne Ankaufsinformationen und Rechercheansätze, die als Grundlagen für die Rekonstruktion einer vollständigen Provenienz dienten.

Die für die vertiefte Forschung herangezogenen Quellen umfassen Materialien aus den unterschiedlichsten öffentlichen und privaten Archiven, genealogische Dokumente, mündliche und schriftliche Auskünfte von Zeitzeugen, Nachfahren und Fachleuten, Bestandsverzeichnisse, Ausstellungskataloge und vieles mehr. Quellen (Q) und Literatur (L) mit unmittelbarer Relevanz für die Provenienz eines Werks werden ausführlich in der jeweiligen Rubrik der Einträge genannt. Quellenangaben zum allgemeinen Umfeld sind im zugehörigen Erläuterungstext untergebracht.

Eine grundlegend wichtige Quelle der Provenienzforschung sind Spuren der Geschichte am Objekt selbst, die oft auf seiner Rückseite oder Standfläche zu finden sind: Aufkleber, Stempel, Signaturen, Schriftzüge, Ziffern und Ähnliches. Daher wurde jedes der zu erforschenden Werke zu Beginn des Projekts einer kompletten physischen Untersuchung unterworfen und alle Funde fotografisch sowie in Schriftform dokumentiert. Die schriftliche Dokumentation ist vollständig zu jedem Kunstwerk aufgeführt; sie wird gezielt ergänzt um einzelne Fotos von besonders aussagekräftigen Spuren.

Provenienzen

Das Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ergebnisse der Recherchen zu publizieren und nachvollziehbar zu machen. Alle Aussagen zur Provenienz eines Werkes sind daher mit Quellenangaben (Q/L) belegt. Ist eine Provenienzangabe in der tabellarischen Erfassung ohne Quelle aufgeführt, ergibt sich ihre Herleitung aus dem geschichtlichen Kontext oder einer Kombination einzelner Quelleninformationen, die im Erläuterungstext dargestellt wird.

Wenn Provenienzen (etwa in Werkverzeichnissen) ohne Quellen publiziert oder Privatarchive nicht zugänglich sind, so ist auch bei „bekannten“ Provenienzketten eine Neuprüfung notwendig, um entscheiden zu können, ob ein NS-verfolgungsbedingter Entzug vorliegt oder nicht. Wie tief die jeweilige Forschung in die Provenienz eines Werks einsteigt, ist einerseits abhängig von der Fragestellung (Klärung der Provenienz im Zeitraum 1933 bis 1945), andererseits von der Quellenlage (Basismaterial, vorhandene Rechercheansätze). Wenngleich nicht immer konkrete Belege vorhanden sind, ergibt sich die Unbedenklichkeit einer Provenienz oft aus dem Zusammenhang, der in der Online-Datenbank in den Erläuterungen zur Provenienz hergeleitet wird.

Datierung

Den Projektvorgaben entsprechend enthält die Online-Datenbank nur Werke, die vor 1945 entstanden sind. Bei einzelnen Skulpturen hat sich jedoch durch die Forschung herausgestellt, dass sie zwar in den 1910er- bis 1930er-Jahren entworfen wurden, es sich aber bei dem vorhandenen Exemplar im Bestand um einen späteren Guss handelt. Zur Veranschaulichung der Forschungsergebnisse wurden sie in der Datenbank belassen.

Werktitel

Viele Kunstwerke sind im Verlauf ihrer Geschichte verschieden benannt worden. Da die Kenntnis über früher oder alternativ verwendete Titel für die Provenienzforschung ausschlaggebend sein kann, sind alle bekannten Titel in der Datenbank (unter „Weitere Werkdaten“) aufgeführt. Als Haupttitel wird jener angezeigt, der in der Standortsammlung verwendet oder durch ein Werkverzeichnis gestützt wird.

Inventarnummern

Bei der Umverteilung der Bestände 1968 wurden die Inventarnummern aus der Galerie des 20. Jahrhunderts (West) beibehalten. In der Nationalgalerie (West) erhielten die Nummern der übergebenen Werke (Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen) zur Kennzeichnung ihrer Herkunft aus dem Senatsbestand ein vorangestelltes B (für Land Berlin). Das Kupferstichkabinett (West) übernahm die in der Galerie verwendeten Nummern unverändert. Durch die Übertragung von Werken zwischen Teilbeständen und Verzeichnissen (etwa vom Hauptverzeichnis des Senats in das Inventar der Galerie), Neuinventarisierungen (beispielsweise von Wandschmuck), Durchnummerierungen einzelner Teileinheiten (etwa Graphik-Kisten) und andere Sammlungsdynamik erhielten einige Werke mehrere Galerienummern. Nach 1968 ganz oder teilweise aus Senatsmitteln erworbene Werke werden in der Regel mit mindestens zwei Inventarnummern geführt. Alle Nummern sind in der Rubrik „Weitere Werkdaten“ aufgeführt.

Restituierte Werke

Die Datenbank enthält auch Werke, die ihren früheren Eigentümern NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden und deshalb Gegenstand abgeschlossener Restitutionsverfahren oder Vereinbarungen waren, entweder vor 1968 oder danach. Teilweise befinden sie sich nicht mehr bei den Staatlichen Museen zu Berlin.

Druckgraphik

Die Bearbeitung von druckgraphischen Arbeiten stellt eine besondere Herausforderung für die Provenienzforschung dar. Zum einen ist in der Erfassung oft nicht leicht zu entscheiden, ob ein Werk einzeln verzeichnet oder einem summarischen Eintrag zugeordnet werden sollte (etwa bei doppelseitig gestalteten Kunstwerken, Sammelmappen, Graphikmappen und Kunstbüchern oder bei Paaren, Zyklen und Ankaufskonvoluten). Für die Datenbank wurde diese Frage nach Ankaufshintergründen entschieden: Vollständige Mappen und andere Werkgruppen, die als Einheit entstanden und stets als solche zusammenblieben, sind als je ein Eintrag erfasst, alle anderen (beispielsweise aus Mappen herausgelöste Einzelblätter) als Einzelwerke. Zum anderen sind druckgraphische Werke in der Forschung wesentlich schwerer zu identifizieren: Sie existieren mehrfach (in Auflagen bis zu mehreren Hundert), weisen oft keine Exemplarnummern oder andere individuelle Merkmale auf und sind in Akten, Inventaren oder Listen vielfach summarisch erfasst. Die Klärung ihrer Provenienzen ist eine diffizile, nicht selten unlösbare Aufgabe.

Karl Schmidt-Rottluff
Drei Akte (Dünenbild aus Nidden), 1913
Öl auf Leinwand
98 × 106,5 cm
Foto: Jörg P. Anders
© VG-Bild-Kunst, Bonn 2016
zur Provenienz
Die erste Seite des Inventarbuchs der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)
Foto: Detlef Botschek
© Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin
Emil Nolde
Frauenkopf, um 1920
Aquarell auf Papier
46,7 × 36,3 cm
Foto: Volker-H. Schneider
© Nolde Stiftung Seebüll
zur Provenienz
Die beiden Kunstwerke wurden 1949, im ersten Jahr des Bestehens der Galerie des 20. Jahrhunderts (West), erworben.