Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Gustav Wunderwald (1882–1945)
Gartenstraße in Berlin N, 1925/29

Öl auf Leinwand
84,5 x 102,5 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1954 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 200 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Gartenstraße (Berlin N) / Gartenstraße (Wedding); Gartenstraße

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten links: G. Wunderwald

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 65/23
Inventar Land Berlin: 981
Hauptverzeichnis Senat: 65/23

Foto: Anders, Jörg P. / CC BY-NC-SA
Provenienz
bis 1945 Gustav Wunderwald
1945 bis 1954 Berta Wunderwald, Berlin, per Erbschaft Q9
1954 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben von Berta Wunderwald Q1 Q4 Q10
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Als gelernter Kulissenmaler fand der Kölner Gustav Wunderwald (1882–1945) über die Bühnenbildnerei zur freien Kunst, nachdem er sich 1919 in Berlin niedergelassen hatte. Die urbane Alltagskulisse der Großstadt, vor allem ihrer Arbeiter- und Randbezirke, stellte fortan einen Schwerpunkt seiner Malerei dar. Von 1927 bis 1930 hielt die Galerie Neumann-Nierendorf die Alleinvertretung Wunderwalds inne. Ein wohl eigenhändig von Nierendorf angelegtes Fotoalbum (erhalten im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, Künstlerdokumentation, Wunderwald, Gustav: „23 Arbeiten 1925–1926 Gustav Wunderwald“) dokumentiert die Zusammenarbeit zwischen Nierendorf und Wunderwald. Das Album führt dieses Werk jedoch nicht auf.

Vermutlich war unter anderem der Berlin-dokumentarische Aspekt ausschlaggebend für Adolf Jannasch, eine größere Anzahl an Gemälden von Wunderwald für die Galerie des 20. Jahrhunderts zu sichern. Im Inventar der Galerie sind fünf Werke eingetragen, doch scheint es noch weitere Ankäufe aus anderen Kunstetats des Senats gegeben zu haben. Darauf lässt ein (wenngleich recht polemisch formulierter) Zeitschriftenartikel von 1962 schließen: „[…] ärgerlicher ist, daß die Stadt auch von den nach 1945 angekauften zehn Wunderwald-Gemälden nur den Verbleib von fünf Werken noch feststellen kann: fünf sind spurlos im Getriebe der Senatsdienststellen verloren gegangen und ließen sich nicht mehr finden, als sie jüngst in der Wunderwald-Gesamtschau präsentiert werden sollten. Ein anderes kam auch nur verspätet und beschädigt zu Tage: es hatte unbemerkt und unbeobachtet in der Botenmeisterei einer Senatsverwaltung gehangen, und keine Verwaltungsstelle hatte darüber einen Aktenvermerk.“Q8

Auch das Gemälde „Gartenstraße in Berlin N“ galt laut einer „Aufstellung über nicht auffindbare Gegenstände“ von 1959 kurzzeitig als verschollen.Q3 Die Ursache des hier beschriebenen Dilemmas, dass nämlich die Wunderwald-Werke beim Senat aus Bereichen unterschiedlicher Verwendung und Finanzierung des Kunstamts stammten, zeichnet sich auch bei diesem Bild ab: Es wurde 1954 vom Land Berlin erworben und zunächst in das Hauptverzeichnis der Kunstbestände des Senats eingetragen, bevor man es 1970 bei der Galerie des 20. Jahrhunderts nachinventarisierte. Bereits 1928 und 1932 auf der Juryfreien Kunstschau in Berlin sowie 1930 in der Ausstellung „Socialistische Kunst“ in Amsterdam gezeigt, wurde das Gemälde – das des Künstlers neuen Ruf als „Berliner Utrillo“Q7 optimal visualisierte – 1962 für eine Wunderwald-Retrospektive im Haus am Lützowplatz zur Verfügung gestellt. Im zugehörigen Katalog L3 ist es als Leihgabe des Senators für Volksbildung erfasst (nicht der Galerie des 20. Jahrhunderts).

Der direkte Ankauf des Gemäldes aus dem Besitz von Berta Wunderwald, der Witwe des Künstlers, ist neben dem Inventareintrag Q1 auch durch eine Verkaufsliste mit Werken aus ihrem Besitz belegt, die das Bild aufführt.Q9 Zudem ist ein Brief erhalten, in dem Berta Wunderwald Adolf Jannasch an seine Ankaufszusage erinnert: „Nun muss ich Sie nochmals auf Ihr Versprechen aufmerksam machen, das Sie mir im vergangenen Jahre im Oktober betreffs des Ankaufs des Bildes ‚Gartenstrasse‘ gaben. Das Bild hängt nun schon seit 1951 im Vorzimmer von Herrn Dr. Tiburtius. Es ist bestimmt nicht zuviel verlangt, wenn ich Sie bitte es nun anzukaufen.“Q5

Gustav Wunderwald hatte am 16. Dezember 1941 in zweiter Ehe Berta Wunderwald (geb. 1900 als Berta Ludwig) geheiratet. Von Berlin-Charlottenburg aus betreute sie nach dem Tod des Künstlers 1945 bis in die 1970er-Jahre den künstlerischen Nachlass, der sich noch heute in Privatbesitz befindet. 1962 erlangte Berta Wunderwald mit einer Ausstellung im Haus am Lützowplatz, auf der 60 zu großen Teilen aus dem Nachlass stammende Ölbilder gezeigt wurden, eine breitere öffentliche Wahrnehmung des Werks ihres verstorbenen Mannes.

Recherche: HS | Text: CT

Leinwandrückseite unten links, Bleistift: G. Wunderwald
Außenrahmen oben rechts, schwarz: Nr. 40
Keilrahmen oben Mitte rechts: Aufkleber mit Beschriftung, handschriftlich: Gartenstraße / (Berlin N) [und Stempel mit Künstleradresse]
Keilrahmen oben rechts, Kreide, blau: Nr. 43
Keilrahmen rechts oben: Aufkleber Spedition Knauer, Kunstabteilung Nr. 4442
Keilrahmen rechts Mitte, Kreide, blau: 8 [durchgestrichen]
Keilrahmen rechts unten, Bleistift: Altzow [?]
Keilrahmen unten links: Aufkleber der Spedition Knauer, Kunstabteilung Nr. 933
Keilrahmen unten links: Aufkleber der Staatlichen Museen zu Berlin

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, nachinventarisiert 1970 [Ankauf 1954]

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 4 (Depot T)

Q3 Aufstellung über nicht auffindbare Gegenstände, 1959, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0300-00-005.1

Q4 Ankaufskommission Sitzungsprotokoll 31.3.1954 und Zahlungsanweisung 7.4.1954, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1360

Q5 Brief Berta Wunderwald an Adolf Jannasch, 1.2.1954, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014, Nr. 1361

Q6 Camilla Blechen, Wunderwald im Grunewald. Der Maler der Neuen Sachlichkeit in der Galerie Bassenge, in: FAZ, 6.1.1972, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, V/Sammlung Künstler: Wunderwald, Gustav

Q7 E. B. K., Doch nicht vergessen. Die Wunderwaldstraße in Spandau erinnert an einen „Berliner Utrillo“, in: Spandauer Volksblatt, 13.8.1966, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, V/Sammlung Künstler: Wunderwald, Gustav

Q8 Gustav Wunderwalds Gemälde „An der Stadtbahn Schöneberg“, Zeitschriftenartikel, ohne Quellenangabe und o. D. [1962], eingeklebt in hintere Umschlagklappe: Gustav Wunderwald. 1882–1945. Gemälde, Ausst.-Kat. Haus am Lützowplatz, Bezirksamt Tiergarten, Berlin 1962, Staatsbibliothek zu Berlin, 474 381

Q9 Werkfotografie und Verkaufsliste, NL Berta Wunderwald, Privatbesitz

Q10 Hauptverzeichnis für Kunstwerke B 3000/303, Senator für Volksbildung, Berlin, Referat Bildende Kunst [Inventar 1949–1958], Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0300-00-001, 65/23, lfd. Nr. 510

Q11 Karteikarte Senat, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 246

L2 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 227

L3 Gustav Wunderwald. 1882–1945. Gemälde, Ausst.-Kat. Haus am Lützowplatz, Bezirksamt Tiergarten, Berlin 1962, Nr. 32

L4 Hildegard Reinhardt, Gustav Wunderwald (1882–1945). Untersuchungen zum bildkünstlerischen Gesamtwerk, Hildesheim u. a. 1988, Nr. 138