Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Marianne von Werefkin (1860–1938)
Prozession bei Ascona, um 1924

Öl auf Pappe
46,2 x 42,2 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1962 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 2.500 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten links: W. M.

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 540
Inventar Land Berlin: 540
Weitere Nummern: 39/540

Foto: Anders, Jörg P. / CC BY-NC-SA
Provenienz
bis 1926 im Besitz der Künstlerin, Ascona Q4
1926 bis 1957 Hinnerk Scheper und Lou Scheper-Berkenkamp, Berlin, erworben von der Künstlerin L2 L7 Q4
1957 bis 1962 Lou Scheper-Berkenkamp, Berlin Q4
1962 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben von Lou Scheper-Berkenkamp Q1 Q3
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
In einem Brief an Adolf Jannasch beschrieb Lou Scheper-Berkenkamp, aus deren Besitz er Marianne von Werefkins Gemälde „Prozession bei Ascona“ 1962 erwarb, wie sie und ihr Mann Hinnerk Scheper das Bild 1926 bei einem zweimonatigen Besuch im Tessin von der Künstlerin erhielten (freundlicher Hinweis von Renate Scheper, 17.7.2011): „Lieber Herr Jannasch – ich freue mich, daß Sie die Werefkin in die Galerie des 20. Jahrhunderts aufgenommen haben und reiche Ihnen die mir von Frau Lütgen so liebevoll vorgeschriebene Rechnung zurück, damit, wie diese sagte, das Geld über mich komme […]. Wir lernten Werefkin im Sommer 1926 kennen, als uns Klee und Kandinsky, gemeinsam überlegend, was am besten für uns sei, für die langen Bauhausferien nach Ascona wiesen. Wir bekamen ein Sendschreiben für ihre alte Freundin mit auf den Weg, überbrachten es und wurden sogleich in Zärtlichkeit und Liebe an Werefkins unerschöpfliches Herz genommen. Aus der Tessiner Umwelt, die wir durch und mit Werefkin kennen lernten, wählten wir später das uns charakteristisch scheinende Bild, das Sie jetzt übernommen haben. […] Dies, weil sie etwas über die Umstände wissen wollten, unter denen Werefkins Tessiner Bild zu uns kam und als Anhaltspunkt für die Datierung. Ich trenne mich schwer von ihm, finde es aber in der Obhut Ihrer Galerie wichtig und am richtigen Platz.“Q4

Lou Scheper-Berkenkamp (1901–1976) war seit 1922 mit Hinnerk Scheper (1897–1957) verheiratet. Sie hatten sich seinerzeit am Bauhaus kennengelernt, wo sie beide bei Paul Klee und in der Wandmalereiwerkstatt bei Johannes Itten und Oskar Schlemmer studierten. Scheper wurde nach seiner Meisterprüfung 1922 und drei freiberuflichen Schaffensjahren 1925 als Jungmeister an das Bauhaus Dessau berufen, wo er ab 1927 mit seiner Familie das ehemalige Meisterhaus Muche bewohnte. In jene ersten Dessauer Jahre fiel die Empfehlung der Bauhaus-Kollegen, Marianne von Werefkin in Ascona zu besuchen.L3 L4 L6 L7

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem sich Scheper mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten hatte, war er, wie auch Adolf Jannasch und Kurt Reutti, vom Magistrat für Groß-Berlin mit der Bergung und Sicherung von Kunstwerken betraut worden.L6 Bis 1957 setzte er seine Arbeit für den Senat in West-Berlin fort, seit 1947 als Leiter der Abteilung Denkmalpflege beim Hochbauamt Berlin. Nach seinem Tod behielt seine Witwe Lou Scheper-Berkenkamp das Gemälde „Prozession bei Ascona“ noch für weitere fünf Jahre in ihrem Besitz, ehe sie es dem ihr seit langen Jahren persönlich bekannten Kunsthistoriker Jannasch für 2.500 DM für die Galerie des 20. Jahrhunderts überließ.Q1 Q3

Recherche: HS | Text CT

oben Mitte: Aufkleber der Staatlichen Museen zu Berlin
Rahmen oben links, Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts mit Inv.-Nr.: 39/540
Rahmen oben Mitte: Aufkleber Spedition nach Museum Wiesbaden [o. D.]

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 16.3.1962

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 2 (Depot K)

Q3 Ankaufsakten, Februar/März 1962, Bildakte Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q4 Briefentwurf Lou Scheper an Adolf Jannasch, [um 1965], Privatbesitz

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 234

L2 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 223 f.

L3 Renate Scheper, Hinnerk Scheper. Farbgestalter, Fotograf, Denkmalpfleger, Ausst.-Kat. Meisterhaus Muche Dessau; Bauhaus-Universität Weimar, Bramsche 2007

L4 Lou Scheper, Rückschau, in: Eckhard Neumann (Hrsg.), Bauhaus und Bauhäusler. Erinnerungen und Bekenntnisse, Köln 1985, S. 174–180

L5 Brigitte Roßbeck, Marianne von Werefkin. Die Russin aus dem Kreis des Blauen Reiters, München 2010, S. 211 f.

L6 Hinnerk Scheper, Zehn Jahre Denkmalpflege in Berlin, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, Bd. 15, H. 1, 1957, S. 56–60

L7 Ludwig Grote, Hinnerk Scheper, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, Bd. 15, H. 1, 1957, S. 60 f.