Alfred Flechtheim war eine Schlüsselfigur des modernen Kunsthandels in Deutschland. 1913 eröffnete er seine erste eigene Galerie in Düsseldorf, nach dem Ersten Weltkrieg gründete er in Berlin ebenfalls eine Galerie sowie die Zeitschrift „Querschnitt“; weitere Filialen in Frankfurt am Main, Köln und Wien folgten. Über den Pariser Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler nahm er Werke moderner französischer Künstler in Kommission und verhalf ihnen in Deutschland zur Popularität.
Finanziell bereits angeschlagen durch die Weltwirtschaftskrise sah sich der jüdische Kunsthändler ab 1930 zunehmend antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, die sich gegen die von ihm repräsentierte Kunst ebenso wie auf seine Person richteten. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten spitzte sich die Situation zu: Durch Antisemitismus, Verbote und Verdrängung der modernen Kunst stand Flechtheim in kürzester Zeit vor dem Bankrott. Eine im März 1933 in Düsseldorf geplante Versteigerung, veranstaltet von Hugo Helbing und den Galerien Flechtheim, wurde von der SA aufgelöst. Ende des Jahres 1933 wurde die Liquidierung der Gesellschaft eingeleitet. Galerieleiter Alex Vömel hatte bereits Ende März 1933 die Räume der Galerie in Düsseldorf übernommen und dort die Galerie Alex Vömel eröffnet. Vömel – dessen Rolle in diesem Zusammenhang kontrovers diskutiert wird – übernahm auch Teile des Kunstbestandes von Flechtheim. Ab Sommer 1935 war die Berliner Galerie Hauptstandort und die ehemalige Düsseldorfer Hauptniederlassung existierte nicht mehr. Mit dem 27. März 1937 erlosch die Galerie Alfred Flechtheim GmbH vollständig.
Die Liquidierung vollzog sich weitgehend in Abwesenheit Flechtheims, der im Herbst 1933 über die Schweiz nach Paris emigriert war, ein Jahr später nach London ging und für die Galerien Simon in Paris und Mayor Gallery in London tätig wurde. Nach seinem plötzlichen Tod 1937 kamen Teile von Flechtheims Nachlass in Amsterdam zur Versteigerung. Der in Berlin befindliche Kunstbesitz wurde nach dem Suizid seiner dort verbliebenen Ehefrau Bertha im Jahr 1941 beschlagnahmt und fiel an das Deutsche Reich.
Die Gemälde „Frauenbad“ von Max Beckmann, „Nachtstück (Berlin-Südende)“ von George Grosz, „Stillleben mit Krügen“ von André Masson, „Harry Graf Kessler“ und „Der Wald“ von Edvard Munch, die Skulpturen „Gruppe Natur“ von Rudolf Belling und „Mädchenkopf, sich umwendend“ von Wilhelm Lehmbruck und die Zeichnung „Porträt eines bärtigen Mannes, Studie“ von Pablo Picasso, angekauft für die Galerie des 20. Jahrhunderts, sowie „Alter Friedhof“ von Paul Klee, erworben durch das Land Berlin, weisen eine Flechtheim-Provenienz auf.
Quellen
alfredflechtheim.com, letzter Zugang 27.1.2016 (Biografie, Standorte, Netzwerk, Literatur)
Ottfried Dascher, „Es ist was Wahnsinniges mit der Kunst“. Alfred Flechtheim. Sammler, Kunsthändler und Verleger, Wädenswil 2011
Nadine Oberste-Hetbleck (Hrsg.), Zur Geschichte des Düsseldorfer Kunsthandels, Düsseldorf 2014
Andrea Bambi und Axel Drecoll (Hrsg.), Alfred Flechtheim. Raubkunst und Restitution, Berlin und Boston 2015
Zeitraum / Adresse / Firmierung
- 1913 Gründung: Galerie Alfred Flechtheim
- 1913 bis 1917 Alleestraße 7, Düsseldorf
- 1919 bis 1933 Königsallee 34, Düsseldorf
- 1921 bis 1933 Lützowufer 13, Berlin
- 1933 bis 1936 Düsseldorfer Straße 44/45, Berlin
- 1936 Liquidation
- 1921 Gründung: Zweigstelle Frankfurt am Main
- 1921 bis 1929 Schillerstraße 15, Frankfurt am Main
- 1922 Gründung: Zweigstelle Köln
- 1922 bis 1929 Schildergasse 69/73, Köln
- 1922 Gründung: Zweigstelle Wien
- 1922 bis 1929 Weihburggasse 9, Wien (Repräsentanz bei Würthle)
Personen
- Alfred Flechtheim (1878–1937) Gründer und Leiter von 1913 bis 1933
- Curt Valentin (1902–1954) Mitarbeiter in Berlin von 1927 bis 1933
- Alex Vömel (1897–1985) Mitarbeiter in Düsseldorf ab 1922
Schwerpunkte
Impressionismus und Kubismus, aber auch deutsche Zeitgenossen wie George Grosz und Max Beckmann