Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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August Kraus (1868–1934)
Heinrich Zille. Büste, 1928

Bronze

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1953 erworben durch das Land Berlin
Inventarwert: 1.000 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Heinrich Zille, Porträtbüste; Porträt des Zeichners Heinrich Zille; Porträt Heinrich Zille

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
Halsbereich seitlich hinten rechts: Kraus 28

Inventarnummern
Inventar Land Berlin: 1007
Hauptverzeichnis Senat: 62/23

Werkverzeichnis-Nummer
Bloch WV 53

Foto: CC BY-NC-SA
Provenienz
1953 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben aus Mitteln der Berliner Bank AG Q1 Q3 Q4 Q5
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Das Hauptverzeichnis der Kunstankäufe des Berliner Senats vermerkt zu der Porträtbüste Heinrich Zilles von August Kraus: „Schenkung der Berliner Bank AG“.Q5 Diese Formulierung suggeriert zunächst, dass die Skulptur physisch als Geschenk an die Galerie des 20. Jahrhunderts übergeben worden und womöglich zuvor als Eigentum der Bank etwa in einer der 40 Gründungsfilialen als Raumdekoration aufgestellt gewesen sei. Tatsächlich hatte die 1950 von Oberbürgermeister Ernst Reuter gegründete Berliner Bank, die maßgeblich am Wiederaufbau der Stadt und der Entwicklung ihrer Wirtschaft in der Nachkriegszeit beteiligt war, eine eigene Kunstsammlung. Sie ging Ende der 1990er-Jahre in der Sammlung der Landesbank Berlin AG auf (freundliche Auskunft von Thorsten Süfke, Berliner Bank, 1.8.2011).

Die Zille-Büste gehörte jedoch nicht zu dieser bankeigenen Sammlung, wie ein im Landesarchiv Berlin verwahrter Brief zwischen dem Senat und der Berliner Bank aufklärt. Vielmehr stiftete die Bank 1953 die finanziellen Mittel für den Ankauf: „Einer Anregung des Herrn Regierenden Bürgermeisters entsprechend hat der Vorstand der Berliner Bank am 10. ds. Mts. beschlossen, für den Ankauf einer Zille-Büste DM 2.000,- zur Verfügung zu stellen.“Q4 Die Hälfte dieser Summe, die auf ein Konto der Landeshauptkasse zugunsten des Senats überwiesen wurde, floss in den Ankauf einer zweiten Büste des Künstlers, die Max Liebermann darstellt. Beide Skulpturen wurden im Hauptverzeichnis der senatseigenen Kunstbestände erfasst, jedoch nur das Zille-Porträt 1970 als Nachinventarisierung in das Eingangsbuch der Galerie des 20. Jahrhunderts verschoben.Q1

Weiter heißt es in dem bereits zitierten Schreiben: „Über die Aufstellung der Liebermann- und Zille-Büste wird Herr Dr. Jannasch besondere Vorschläge machen. Er wird auch die Abholung der Büsten und die Anfertigung der Sockel vornehmen lassen.“Q4 Informationen darüber, an welchem Ort Adolf Jannasch die Büsten hat abholen lassen, liefert die Ankaufskorrespondenz nicht. Da eine unbekannte Anzahl von Güssen existiert, scheitert eine effektive Provenienzrecherche an der Frage der Werkidentität. Diverse Exemplare sind zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichem Kontext nachweisbar: 1929 beispielsweise erbittet das Kronprinzenpalais in Berlin für eine Zille-Retrospektive als Leihgabe eine „der Stadt Berlin gehörige Zille-Büste sowie eine Zille-Statuette, beides Arbeiten von Professor Kraus“.Q7 Ein anderer Guss wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Kurt Reutti aus dem Berliner Stadtschloss geborgen und der Nationalgalerie (Ost) vorübergehend zur Aufbewahrung übergeben.L7 Ein weiteres Exemplar besaß der Fackelträger-Verlag in Hannover. Keines dieser Werke ist jedoch mit dem 1953 für die Galerie des 20. Jahrhunderts erworbenen in Verbindung zu bringen. Auch der Schriftnachlass Peter Blochs (1925–1994), desjenigen Kunsthistorikers, der sich wohl am intensivsten mit dem bildhauerischen Œuvre von Kraus beschäftigt hat,L6 enthält keine verbindlichen Aussagen über die Anzahl und Verortung der Abgüsse. Eine engere persönliche Beziehung zwischen Kraus und Bloch scheint bestanden zu haben, da Eva Kraus, die Tochter des Künstlers, die Arbeitsunterlagen Blochs auf dem Dachboden des Charlottenburger Schlosses deponiert hatte. Von dort übernahm sie die zeitweilig im Schloss ihre Dauerausstellung zeigende Nationalgalerie und übergab sie später dem Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin. Ein privater Nachlassteil Blochs befindet sich im Landesarchiv Berlin; er enthält jedoch keine Dokumente zu Kraus und generell kein Material zur beruflichen Forschung von Peter Bloch (freundliche Mitteilung von Jennifer Reiche, Landesarchiv Berlin, 20.1.2012).

Recherche: HS | Text: HS

Halsbereich seitlich hinten rechts: Kraus 28

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, erworben 1953 [nachinventarisiert 1970]

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 4

Q3 Liste Senat – Galerie des 20. Jahrhunderts (Werke lebender Künstler), 1.4.1959, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0300-00-001

Q4 Briefe Bohme (Senat II A B) an Becker, Berliner Bank, und Senat an Bohme, 16.9.1953, Akten Berliner Bank AG 1951–1958, Landesarchiv Berlin, B Rep. 002-11563/2

Q5 Hauptverzeichnis für Kunstwerke B 3000/303, Senator für Volksbildung, Berlin, Referat Bildende Kunst [Inventar 1949–1958], Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0300-00-001, 62/23, lfd. Nr. 475 [mit Erwerbseintrag: „Schenkung der Berliner Bank AG“]

Q6 Karteikarte Senat, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin

Q7 Stadt Berlin, Deputation für Kunst und Bildungswesen, an das Kronprinzenpalais, 1929, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, I/NG 858, Bl. 35

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 214

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 237

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 282

L4 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 352

L5 Berliner Bildnisse aus drei Jahrhunderten, Ausst.-Kat. Städtische Galerie München, Berlin 1962, Nr. 136

L6 Peter Bloch, August Kraus. Schreitende Römerin. Vorläufiges Œuvreverzeichnis, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1975, Nürnberg 1975, S. 128–136, Nr. 53

L7 Nicole Wähner, Die „Zentralstelle zur Erfassung und Pflege von Kunstwerken“ des Magistrats von Groß-Berlin. Kunstbergung in Berlin nach dem 2. Weltkrieg, unveröffentlichte Diplomarbeit, Potsdam 2002, S. 52