Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Auguste Renoir (1841–1919)
Kleine Wäscherin (La petite laveuse accroupie), 1916

Bronze

Standort
nicht nutzen_NG-Sammlung

1949 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 2.900 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
L’Éau; Das Wasser; Kleine Badende; Waschende Frau

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
an der Plinthe links: Renoir

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 38
Inventar Land Berlin: 38
Weitere Nummern: 7/30

Foto: Kilger, Andres / CC BY-NC-ND
Provenienz
bis 1949 Gerda und Juro Kubicek, Berlin Q1 Q2 Q3 Q5 Q8 Q9
1949 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben von Gerda Kubicek Q1 Q5
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Es lohne sich, schrieb Adolf Jannasch 1966 an Eberhard Roters, für Ankäufe an Künstler heranzutreten, die auch Kunst anderer sammelten: „Es gibt Künstler, die museale Werke besitzen oder selbst gemalt haben, bei denen man sehr gut kaufen kann, ich erinnere zum Beispiel an Theodor Werner, Purrmann, Oskar Moll, Juro Kubizek [sic] u. v. a. Aber diese Malersammlungen sind bekannt oder durch ihr Vermögen zu Sammlern geworden oder besitzen seit 20 Jahren ein Gemälde.“Q11

Aus dem Besitz des hier erwähnten Juro Kubicek und seiner Frau Gerda stammte die „Kleine Wäscherin“ von Auguste Renoir, die Jannasch bereits 1949, kurz nach Neugründung der Galerie des 20. Jahrhunderts im Westen Berlins, erwarb. Im Inventar ist Gerda Kubicek als Vorbesitzerin eingetragen, und auch der in Raten gezahlte Kaufpreis von 2.900 DM wurde an sie überwiesen.Q1 Q8 Q9 Gerda Kubicek (geb. Stohl, 1916–1993), eine in Berlin gebürtige Kontoristin, hatte 1942 den Graphiker und Maler Juro Kubicek (1906–1966) geheiratet. Jener war 1926 nach Berlin gezogen, wo er sich zum Lithographen ausbilden ließ und als Dekorateur arbeitete, bevor er 1931 zur freien Malerei überging, die er in der NS-Zeit wegen des schon 1933 erteilten Ausstellungs-und Arbeitsverbots nur heimlich ausüben konnte. Zwischen 1934 und 1942 arbeitete er als Weber bei den Georg-Fischer-Werkstätten in Berlin. Bis zu seiner Heirat mit Gerda Stohl lebte Kubicek, der auf einer Reise seines ungarischen Vaters und seiner österreichischen Mutter in Görlitz geboren worden war, als Staatenloser in Deutschland. Direkt nach der Eheschließung wurde er als Soldat an die Ostfront einberufen, von der er 1944 verwundet nach Berlin zurückkehrte. Hier musste er feststellen, dass über 300 seiner Arbeiten 1943 einem Bombeneinschlag zum Opfer gefallen waren.

Die unmittelbaren Nachkriegsjahre verbrachte Kubicek als freiberuflicher Maler in Berlin, ehe er von 1947 bis 1949 mit einer Gastprofessur am University and Art Center in Louisville/Kentucky betraut wurde. Seinen Wohnsitz in Berlin behielt er jedoch währenddessen bei. 1949 eröffnete er im Keller des Berliner Amerikahauses ein „Work and Art Studio“ für junge Künstler, Graphiker, Architekten und Tischler. Kubicek bewegte sich zu dieser Zeit im Künstlerkreis um den Berliner Galeristen Gerd Rosen, den er bereits um 1929 kennengelernt hatte, als Kubicek Dekorateur am Kaufhaus Wertheim war und Rosen ebenda das Buchantiquariat Hans Wertheim leitete.Q10 L8 L10 L11 L12

Ob die kleine Renoir-Skulptur über Rosen oder über die guten Verbindungen des Künstlers zu den Alliierten in West-Berlin in den Besitz der Kubiceks gelangt war, ist unbekannt. Womöglich brachte auch Gerda Kubicek die „Kleine Wäscherin“ in die Ehe ein. Genauso gut kann Kubicek die Bronze in seiner Zeit in den USA erworben haben. Der in der Berlinischen Galerie verwahrte Nachlass der Familie Kubicek liefert hierzu keine Informationen (freundliche Auskunft von Urs Becker, 30.1.2013). Die Tochter von Juro und Gerda Kubicek erinnerte sich zwar nicht an die „Kleine Wäscherin“ in der elterlichen Sammlung, jedoch daran, dass ihr Vater einst ein „Renoir-Köpfchen“ besaß, das er an die Galerie Rudolf Springer verkauft habe (freundliche Mitteilung vom 4.2.2013). Die Provenienz der Figur bis zu ihrem Erwerb für die Galerie des 20. Jahrhunderts im Jahre 1949 bleibt also ungeklärt und ist auch werkseitig kaum zu erhellen, da mindestens 25 Gussexemplare der beliebten Kleinskulptur Renoirs existieren.

Recherche: HS | Text: CT/HS

Standfläche: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 8.7.1949

Q2 Protokoll der Ankaufskommission für Kunstwerke des Magistrats von Gross-Berlin am 8.7.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1446

Q3 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 3

Q4 Liste Platten – Kasten III, Galerie M–R, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Ordner B: Vereinigte Kunstsammlungen

Q5 Ankaufsbestätigung von Adolf Jannasch an Gerda Kubicek, 9.7.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1445

Q6 Liste Platten – Kasten I, Galerie A–K, 25.7.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-040.1 bis -040.3, Nr. 63

Q7 Protokoll der Ankaufskommission, 9.7.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1446

Q8 Zahlungsanweisung [Rate] an Gerda Kubicek, 12.9.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1446

Q9 Nachweisaufstellung der Zahlungsempfänger 1949 bis 1951, 27.4.1951, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1446

Q10 Akte Juro und Gerda Kubicek, Landesverwaltungsamt Berlin, Landesarchiv Berlin, B Rep. 080-1394

Q11 Brief Adolf Jannasch an Eberhard Roters, Deutsche Gesellschaft für Bildende Kunst, 11.1.1966, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II B/Galerie des 20. Jahrhunderts – Land Berlin 5, Bl. 127

Q12 Berliner Fernsprechbücher

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1953, Nr. 20

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 228

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 252

L4 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 297

L5 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 357

L6 Kleinplastiken des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie, hrsg. von Bernhard Maaz, Ausst.-Kat. Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 1992, Nr. 70

L7 Paul Haeserts, Renoir sculpteur, Brüssel 1947, Nr. 20

L8 Una E. Johnson, Ambroise Vollard, Éditeur. Prints. Books. Bronzes, New York 1977, S. 170, Nr. 237

L9 Eckhart Gillen und Diether Schmidt (Hrsg.), Zone 5. Kunst in der Viersektorenstadt 1945–1951, Berlin 1989, S. 281 f.

L10 Harald Jähner, Fliegende Nierentische. Eine Wiederentdeckung: Der Maler Juro Kubicek in der Galerie Lehr, in: Berliner Zeitung, 19.7.2006

L11 Ulrich Heinemann-Rufer, Künstler stehen am Schraubstock. Juro Kubiceks Studio im Amerikahaus. Eine Werkstatt für moderne Kunst, in: Telegraf, 27.6.1950

L12 Ernst Busche, Leben mit Brüchen. Juro Kubicek bei Werner Kunste, in: Der Tagesspiegel, 17.2.1980