Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Aristide Maillol (1861–1944)
Bekleidete Pomona, 1922

Bronze

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1951 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 5.000 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Pomona vêtue; Pomona im Gewand; Pomona, bekleidet

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
links an der Plinthe: A. Maillol

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 57
Inventar Land Berlin: 57

Foto: Kilger, Andres / CC BY-NC-SA
Provenienz
1938 Paris Q3 L1 L2 L3 L4 L5
1938 bis 1951 deutscher/westdeutscher Privatbesitz Q4 Q5 Q3 L1 L2 L3 L4 L5
1951 Kunstkabinett Asta von Friedrichs, Berlin Q1
1951 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben beim Kunstkabinett Asta von Friedrichs Q1
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Zu Maillols „Bekleideter Pomona“ liefern die Erwerbungsakten der „Galerie des 20. Jahrhunderts“ vage Hinweise auf den Vorbesitz: Als Adolf Jannasch die Bronze 1951 im Kunstkabinett Asta von Friedrichs erwarb, stellte die Kunsthändlerin einige Informationen bereit. Auf der Rückseite eines Werkfotos, das sie an Jannasch schickte, notierte sie: „Abgebildet auf S. 99 in dem Katalog Aristide Maillol in Amerikanischen Sammlungen, 1945 herausgegeben von dem Direktor der Albright Art Gallery, Buffalo, Andrew C. Ritchie. / 1938 in Paris erworben. / Seitdem in deutschem Privatbesitz“.Q3 Von Friedrichs’ Hinweis auf die in Buffalo ausgestellte Skulptur bezog sich, wie langwierige Recherchen ergaben, auf ein anderes Exemplar der „Bekleideten Pomona“, das sich von mindestens 1933 bis 1945 in der Sammlung des New Yorker Sammlers und Galeristen Erhard Weyhe (1883–1972) befand.Q7 Q8 L11 Hiermit lieferte von Friedrichs Jannasch also offenbar einen reinen Abbildungsverweis. Auf die bei ihr zum Verkauf stehende „Pomona“ bezog sich demnach nur die Information über die Herkunft der Figur aus Paris und dem „deutschen Privatbesitz“, in dem sie sich ihres Wissens seit 1938 befand.

Walther Scheidig, der damalige Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Weimar, interessierte sich 1955 für das Exemplar, das Jannasch wenige Jahre zuvor für seine Sammlung erworben hatte. Er vermutete, dass es aus der ihm wohl bekannten großen Maillol-Sammlung des Kunstsammlers Harry Graf Kessler stammen könnte, und erkundigte sich bei Jannasch: „Zugleich bitte ich für Freunde in Schweden um die Nachricht, ob das bei Ihnen befindliche Exemplar von Maillols ‚Pomona‘ etwa aus dem Besitze vom Grafen Keßler, früher in Weimar, stammt. Die Frage hat keinerlei besitzrechtliche Hintergründe“.Q4 Jannasch stellte Nachforschungen an und antwortete ihm: „Ob das in der Galerie befindliche Exemplar von Maillols ‚Pomona‘ aus dem Besitz des Grafen Kessler stammt, konnte ich nicht feststellen. Ich weiß nur, dass die Plastik aus westdeutschem Privatbesitz kommt, der frühere Eigentümer ist mir nicht bekannt.“Q5

Betrachtungen zur Provenienz dieser Bronze von Aristide Maillol führen sogleich zu Fragen der Authentizität posthumer und anderer nicht vom Künstler autorisierter Güsse. Die Zuordnung einzelner Skulpturen zu bestimmten Auflagen und Editionen ist Gegenstand aktueller Forschungen.L7 Jannaschs Recherchen aus dem Jahr 1955 lassen sich heute nur bestätigen: Die frühere Provenienz der Skulptur ist nicht feststellbar. Auch die Identität des späteren „[west-]deutschen Privatbesitzes“ bleibt unklar.

Recherche: HS | Text: CT/HS

unbezeichnet

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 12.10.1951

Q2 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 2

Q3 Werkfotografie mit rückseitiger Beschriftung von der Hand Asta von Friedrichs’, Bildakte Staatliche Museen zu Berlin, Alte Nationalgalerie

Q4 Brief Walther Scheidig (Staatliche Kunstsammlungen Weimar) an Adolf Jannasch, 23.5.1955, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1436

Q5 Brief Adolf Jannasch an Walther Scheidig, 1.6.1955, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1436

Q6 Tagebucheintrag Harry Graf Kessler, 13.8.1922 [Original im Deutschen Literaturarchiv Marbach], publiziert in: Harry Graf Kessler, Tagebuch, DC-ROM, Rohtranskription, Marbach 2004

Q7 Brief Kunsthalle Basel an Alfred Flechtheim, 1.12.1936; Brief Kunsthalle Basel an Erhard Weyhe, New York, 26.8.1937; Brief Curt Valentin an Carl Egger, Kunsthalle Basel, 14.8.1937; Brief Rosi Hulisch an den Baseler Kunstverein, 19.8.1937, Korrespondenz betr. Depositen, Staatsarchiv Basel-Stadt, PA 888a (2) H2-3,2

Q8 Brief Emil Ganso (Wehye Gallery) an Andrew C. Ritchie, Albright Art Gallery, 19.1.1945, Archiv Albright Knox Art Gallery, Buffalo

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1953, Nr. 12

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 221

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 244

L4 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 289

L5 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 354

L6 Nationalgalerie Berlin. Das XIX. Jahrhundert, Bestands-Kat. der Skulpturen, Nationalgalerie Berlin, Leipzig 2006, Nr. 519

L7 Ursel Berger, „Posthume Werkentwicklung“ am Beispiel von August Gaul, Wilhelm Lehmbruck und Aristide Maillol, in: dies. (Hrsg.), Bildhauerei im 20. Jahrhundert, Bd. 1: Ausdrucksplastik, Berlin 2002, S. 55–70, hier S. 63–69

L8 Ursel Berger, Maillols internationale Karriere. Zur Rolle der ausländischen Sammler und Förderer, in: Aristide Maillol, hrsg. von Ursel Berger und Jörg Zutter, Ausst.-Kat. Georg-Kolbe-Museum Berlin; Musée cantonale des beaux-arts Lausanne; Gerhard-Marcks-Haus Bremen; Städtische Kunsthalle Mannheim, München und New York 1996, S. 151–166

L9 Rolf Linnenkamp, Maillol redivivus oder die posthume Vermehrung seiner Originale, in: Weltkunst 17/1980, S. 2311 f.

L10 Aristide Maillol, Ausst.-Kat. Galerie Flechtheim Düsseldorf 1928

L11 Aristide Maillol. With an Introduction and Survey of the Artist’s Work in American Collections, hrsg. von Andrew C. Ritchie, Ausst.-Kat. Albright Art Gallery Buffalo, New York 1945, S. 106 und Abb. S. 99