Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Piet Mondrian (1872–1944)
Komposition mit Blau, Schwarz, Gelb und Rot, 1922

Gouache auf Papier
41 x 49 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1963 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 96.000 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Komposition mit Rot, Gelb und Blau / Composition with Blue, Black, Yellow and Red

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten rechts Mitte, auf Schwarz, verblasst: P M 1922

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 597
Inventar Land Berlin: 597

Werkverzeichnis-Nummer
Joosten WV B136

Foto: Anders, Jörg P. / CC BY-NC-SA
Provenienz
1922 bis maximal 1936 Marie Tak van Poortvliet, Den Haag und Domburg/Niederlande L3
bis Ende der 1950er-Jahre Salomon B. Slijper, Blaricum L3
um 1958 bis 1962 Harold Diamond, New York L3
1962 bis 1963 Galerie Beyeler, Basel Q5 Q1 L3
1963 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben bei der Galerie Beyeler Q1
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
„Wie Sie wissen, ist dieser Mondrian ein äußerst seltenes Werk, da es nur zwei Gouachen gibt. Ausserdem stammt es aus einer der größten Mondrian-Sammlungen, von seinem Freund S. B. Slijper“, pries der Galerist Beyeler das Werk, das er Adolf Jannasch im März 1963 für die Galerie des 20. Jahrhunderts in Berlin zum Kauf anbot.Q6 Der jüdische Makler Salomon Bernard Slijper (1884–1971), den Piet Mondrian 1915 kennengelernt hatte, war seit 1917 einer der wichtigsten Mäzene des Künstlers. 1922, zum 50. Geburtstag des Künstlers, gründete er eine Förderergruppe und initiierte eine Retrospektive im Amsterdamer Stedelijk Museum. Zugleich sammelte er selbst Mondrian-Werke, von denen er 200 dem Gemeentemuseum in Den Haag hinterließ. Die in Slijpers Sammlung als Nr. 834 inventarisierte Gouache „Komposition mit Blau, Schwarz, Gelb und Rot“, die Jannasch später erwarb, wechselte jedoch bereits Ende der 1950er-Jahre den Besitzer, nachdem Slijper sie zwischen 1946 und 1951 dem Stedelijk Museum Amsterdam als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt hatte.Q4

Entstanden war das Werk als Auftragsarbeit, wie Mondrian im Februar 1922 an Slijper schrieb: „I now have to make a watercolour (an abstract work) for Miss Tak van Poortvliet, who also has a small collection of my work but doesn’t want to lend it out, as I know from before. Until now she had given me up because, unlike you, she didn’t evolve with me, and I think she now only wants one of my recent things to supplement her collection. Anyway, the 400 frs which she sent right away, and which are gone already, are or were none the worse for it, but now she must have the thing“ (aus dem Holländischen übersetzt, zit. n.: Werkverzeichnis Joosten 1998).L3 Auch seinem Freund Theo van Doesberg erzählte er von dem Auftrag: „A Miss van Poortvliet, friend of that Jac. van Heemskerk […] wrote to me saying that she had a portfolio with watercolours and drawings and that I should not be left out of it, so did I have one for 400 frs. I wrote back that I had no recent work (that’s what she wanted), but that I could make it. Then, believe it or not, 400 frs. turned up: would I please make it and take my time over it“ (Brief Mondrian an van Doesburg, 7.2.1922, aus dem Holländischen übersetzt, zit. n.: Werkverzeichnis Joosten 1998).L3

Die Holländerin (Johanna) Marie (Maria) Tak van Poortvliet (1871–1936) war Anthropologin und Pionierin biologisch-dynamischer Landwirtschaft; die Gründung der Marke Demeter geht auf sie zurück. 1904 erbte sie in größerem Umfang und ließ ein Sommerhaus in Domburg an der holländischen Küste bauen, das zum Künstlertreffpunkt wurde. Mondrian, Marie Tak und ihre Freundin Jacoba van Heemskerck teilten ein reges Interesse an der Theosophie und ab 1915 an Rudolf Steiners anthroposophischen Ideen. 1912 begann Tak, moderne Kunst zu sammeln: Neben Mondrians und van Heemskercks erwarb sie auch Werke von Georges Braque, Wassily Kandinsky, Franz Marc, Fernand Léger und Lyonel Feininger. 1936 vermachte sie ihre Kunstsammlung dem Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam und dem Gemeentemuseum Den Haag. Mondrians Gouache „Komposition mit Blau, Schwarz, Gelb und Rot“ gelangte jedoch auf anderem Weg in die Sammlung Slijper.

Recherche: CT | Text: CT

Außenrahmen oben Mitte: Harold Deamond Gesso all over / sand well > Laquer
Außenrahmen unten Mitte, Ausstellungsaufkleber der Galerie Chalette, Madison Ave, New York: Construction and Geometry in painting [April–May 1960]; daneben, Aufkleber: 10

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 17.5.1963

Q2 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 2

Q3 Protokoll der Ankaufskommission, 9.5.1963, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II/VA 6754, Bl. 388, und Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1893

Q4 Korrespondenz zwischen Lucius Grisebach und Joop Joosten (Stedelijk Museum), 1983, Bildakte Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q5 Brief Dora Lüttgen an Wiss/Kunst IC3 [Senatsabteilung für Wissenschaft und Kunst], 24.4.1963, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 10-0302-04-163

Q6 Brief Ernst Beyeler an Adolf Jannasch, 19.3.1963, und Folgekorrespondenz [Bestellzettel, Transport- und Zollpapiere], 1963, Bildakte Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 165 a

L2 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 149 f.

L3 Joop M. Joosten, Piet Mondrian. Catalogue Raisonné of the Work of 1911–1944, Blaricum und Paris 1998, Nr. B136, Bd. II, S. 300