Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976)
Kopf, um 1930

Kalkstein

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1961 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 7.000 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Spitzer Kopf mit gestreiftem Haartuch

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unbezeichnet

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 485
Inventar Land Berlin: 485

Werkverzeichnis-Nummer
Wietek WV 75

Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Provenienz
1930 bis 1960 im Besitz des Künstlers Q4
1960 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben vom Künstler Q1
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Ein ausführlicher Briefwechsel zwischen Karl Schmidt-Rottluff und Rosa Schapire gibt Zeugnis davon, dass dieser kleine Steinkopf zu den Exponaten der Ausstellung „Karl Schmidt-Rottluff. Graphic Works and Stone Carvings“ gehörte, die 1953 im englischen Leicester ausgerichtet wurde.Q4 Schapire hatte die Schau im Leicester Museum and Art Gallery initiiert und direkt aus dem Atelier ihres engen Künstlerfreundes beschicken lassen, was eine umfangreiche Korrespondenz zur Auswahl der Leihgaben, Transportlogistik und sonstigen organisatorischen Fragen erforderte. Nach der Ausstellung übernahm Schmidt-Rottluff die Werke wieder zurück in sein Zehlendorfer Domizil. 1960 erwarb Adolf Jannasch den Steinkopf für die Galerie des 20. Jahrhunderts direkt beim Künstler.Q1

Die Kleinskulptur entstand bereits um 1930 im hinterpommerschen Jershöft, als Schmidt-Rottluff mit Schnitzereien aus Strand-Findlingen experimentierte.L3 Dass sie in den Katalogen der Galerie des 20. Jahrhunderts L1 L2 fälschlich auf die 1950er-Jahre datiert ist, resultiert vermutlich aus dem Kontext der Ausstellung in Leicester.

Karl Schmidt-Rottluff, der die NS-Zeit als „entarteter“ Künstler fast durchgehend in Deutschland verbrachte, hatte während des Krieges einen Teil seiner eigenen Werke bei Leopold Reidemeister (1900–1987), dem Berliner Kunsthistoriker, Brücke-Verfechter und späteren Museumsdirektor in Köln und Berlin, untergebracht. Sein Atelier in Berlin war 1943 zerbombt worden. Die Kunsthistorikerin Rosa Schapire schrieb dem Künstler am 19. Juni 1950 einen Brief, in dem sie sich beschwerte, dass er sie nicht ausreichend auf dem Laufenden halte: „Ich musste z. B. auch sr. Zt. Durch Reidemeister erfahren, dass die bei ihm eingestellten Bilder die Bomberei überlebt haben“ (Archiv Brücke Museum, Berlin). 1947 übernahm Schmidt-Rottluff eine Professur an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und spielte fortan eine wichtige Rolle im Kunstbetrieb der Nachkriegszeit. Schon vor Teilung der Stadt standen Ludwig Justi und Adolf Jannasch bei ihren Aktivitäten mit dem Künstler in Kontakt. Seit 1947 war Schmidt-Rottluff Mitglied der Ankaufskommission für die Kunstsammlung des Magistrats, nach Neugründung der Galerie des 20. Jahrhunderts im Westen 1949 setzte er sein Wirken als Kommissionsmitglied bis zu deren Auflösung 1968 fort.

Recherche: HS | Text: CT

unbezeichnet, Spuren alter Aufkleber auf der Rückseite (vermutlich von der Ausstellung in Leicester, siehe Erläuterung zur Provenienz)

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 12.12.1960

Q2 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 2

Q3 Aufstellung Haushaltsmittel 1960, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 10-0302-04-205.2.1

Q4 diverse Briefe Karl Schmidt-Rottluff an Rosa Schapire, 1953, Archiv Brücke Museum, Berlin

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 317

L2 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 362

L3 Gerhard Wietek, Karl Schmidt-Rottluff. Plastik und Kunsthandwerk. Werkverzeichnis, München 2001, Nr. 75