Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Thomas Theodor Heine (1867–1948)
Der Teufel, 1902/03

Bronze

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1959 erworben durch das Land Berlin
Schenkungswert: 200 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Teufel

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
links auf der Plinthe, Monogramm: TTH

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 426
Weitere Nummern: 28/9.59; 33/426

Foto: Kilger, Andres / © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Provenienz
bis 1955 Heinrich Evert und/oder Gertrud Evert, Berlin
1955 bis 1959 Gertrud Evert, Berlin Q3
1959 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben von Gertrud Evert Q1 Q3
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Der 1867 in Leipzig geborene Deutsch-Schwede Thomas Theodor Heine war ein künstlerischer Tausendsassa, der neben seiner Tätigkeit als Landschaftsmaler, Schriftsteller und Gebrauchsgraphiker auch politische Karikaturen schuf, für die vor allem er Bekanntheit erlangte. Die Skulptur „Der Teufel“, die deutlich karikatureske Züge trägt, entstand zusammen mit ihrem Gegenstück „Der Engel“ um 1902 in München, wo der Künstler seit den 1890er-Jahren lebte. In der Galerie des 20. Jahrhunderts befand sich aber nur die Teufelsfigur, die 1959 von Gertrud Evert der Sammlung geschenkt wurde. Gertrud Evert war die Witwe des Kunstsammlers Heinrich Evert, die später den größten Teil der Kunstwerke aus der Sammlung ihres verstorbenen Mannes, seiner testamentarischen Verfügung folgend, der Galerie des 20. Jahrhunderts übertrug.Q5 Die Schenkung von Heines „Teufel“ ging der Übergabe des großen Evert-Konvoluts jedoch sieben Jahre voraus. Wann und von wem Gertrud und/oder Heinrich Evert das in der Münchner Gießerei Priessmann, Bauer & Co. produzierte Werk erwarben, ist nicht mehr feststellbar, aber ein Erwerb vor 1933 ist – abgeleitet aus dem Kontext des evertschen Sammlungsaufbaus – recht wahrscheinlich.

Heinrich Evert (Hannover 1879–1955 Berlin) sammelte in den 1920er- bis 1950er-Jahren Werke deutscher Künstler der Moderne. Ausgebildet an der hannoverschen Kunstgewerbeschule und der Baugewerkschule in Buxtehude sowie den Technischen Hochschulen in Berlin und Hannover hatte er seine Laufbahn im öffentlichen Dienst 1905 als Abteilungsleiter der Hochbauabteilung beim Stadtbauamt Jena begonnen. 1910 wurde er zum Stadtbaurat in Jauer (Jawor, heute Polen) berufen, wo er von 1927 bis 1934 auch das Amt des Bürgermeisters bekleidete. In seiner Zeit dort setzte Evert sich vor allem für kulturelle und soziale Belange ein und wirkte am modernen Siedlungsbau mit. Nach Januar 1933 geriet er „als Nichtparteigenosse und Freimaurer“, wie er sich selbst bezeichnete,Q7 ins Visier der NSDAP; im Oktober 1934 legte er sein Amt in Jauer nieder und siedelte nach Berlin um. Hier war er von 1936 bis 1945 als kommunaler Berater der Wehrkreisverwaltung III tätig und wurde 1946 zum Bezirksrat und Leiter der Abteilung für Bau- und Wohnungswesen im Bezirksamt Berlin-Wilmersdorf berufen. Ab 1951 wirkte Evert als Bezirksstadtrat. Bis zu seinem Tod 1955 wohnte er in der Rudolstädter Straße 100 in Wilmersdorf.

Seine Leidenschaft für aktuelle Kunst ließ Heinrich Evert den Kontakt zu Künstlern seiner Zeit suchen. Durch die Nähe der Stadt Jauer zu Breslau hatte er eine besondere Verbindung zur Breslauer Akademie: Zahlreiche dort tätige Kunstschaffende, darunter Oskar Moll und Georg Muche, Robert Bednorz, Otto Mueller und Alexander Camaro, waren – häufig mit mehreren Werken – in seiner Sammlung vertreten. Hinzu kamen Arbeiten von Kurt Schwitters, Karl Schmidt-Rottluff, Werner Heldt und zahlreichen anderen, mit denen den Sammler vielfach eine oft langjährige Freundschaft verband. Die Werke für seine Sammlung erwarb Heinrich Evert zum größten Teil direkt bei den Künstlern.

Auch Adolf Jannasch kannte Evert persönlich, wie der Eintrag in Jannaschs Sammler-Notizbuch belegt: „Evert / ‚Bauen und Wohnen‘ / Schwitters, Heldt, Moderne, Müller, Muche, Camaro“.Q4 Diese Bekanntschaft mag Everts Beschluss, der Galerie seine Sammlung anzuvertrauen, bekräftigt haben. So legte der kinderlose Baurat testamentarisch fest: „Ich setze als Erben meiner gesamten Kunstgegenstände (Gemälde, Graphiken, Plastiken, Sammelmappen, kunstgewerbliche Gegenstände und einschlägige Literatur) das Land Berlin ein. Für die Betreuung dieser Kunstwerke soll die Galerie des XX. Jahrhunderts zuständig sein.“Q8 Diesem Wunsch folgend, hinterließ seine Witwe Gertrud Evert, geborene Fangauf, mit ihrem Tod 1966 dem Land Berlin 117 Gemälde, Zeichnungen und graphische Blätter.Q5 Vereinzelte Werke scheint Heinrich Evert auch dem Stadtmuseum Berlin vermacht zu haben.

Recherche: HS/CT | Text: CT

auf der Plinthe, Gussmarke: PRIESSMANN BAUER & CO MÜNCHEN
Plinthe Unterseite: Aufkleber der Staatlichen Museen zu Berlin

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 28.9.1959

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 4

Q3 Niederschrift über die Annahme einer Sachzuwendung, 5.11.1959, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0800-01-033.1.3

Q4 Sammler-Notizbuch Adolf Jannasch, Privatbesitz

Q5 Erbvertrag zwischen Gertrud Evert und dem Land Berlin, 1.8.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0601-02-010.1 ff.

Q6 Brief Gertrud Evert an Senator Joachim Tiburtius, 18.2.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0601-02-008.2

Q7 Lebenslauf Heinrich Evert, 14.10.1945, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-000

Q8 Protokoll für notarielle Beurkundungen, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, 1.8.1958, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0601-02-000

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 228

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 272

L3 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 349

L4 Kleinplastiken des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie, hrsg. von Bernhard Maaz, Ausst.-Kat. Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 1992, Nr. 58