Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Julius Heinrich Bissier (1893–1965)
Donaulandschaft, 1924

Öl auf Leinwand
69,7 x 60,2 cm

Standort


1964 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 5.400 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Flusslandschaft

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten links: Jul.H.Bissier

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 688
Inventar Land Berlin: 688
Weitere Nummern: K 50/688

Foto: Anders, Jörg P. / © Archivio Bissier, Ascona / VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Provenienz
bis 1927 im Besitz des Künstlers
1927 bis Dezember 1945 Ehepaar Schmidt, Freiburg im Breisgau und Oschersleben (Bode), Schenkung des Künstlers Q6
nach 1945 bis 1964 Wolfgang Rohde/Goldstein, Berlin Q1 Q7
1964 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben von Wolfgang Rohde Q1
1968 bis 2013 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
2013 als Fremdbesitz an Familie Schmidt zurückgegeben
1964 ließ Adolf Jannasch 5.400 DM für die „Donaulandschaft“ von Julius Bissier an einen Herrn Wolfgang Rohde in Berlin überweisen.Q1 Q5 Nach aufwendigem Aktenstudium stellte sich heraus, dass Wolfgang Rohde identisch ist mit Wolfgang Goldstein (geb. am 27.7.1917 in Berlin-Charlottenburg), nach den „Nürnberger Rassengesetzen“ eingestuft als „Mischling Ersten Grades“ und nach dem Krieg als „rassisch Verfolgter“ anerkannt.Q11 Den Mädchennamen seiner Mutter (Rohde) hatte er, polizeilich beurkundet, 1954 angenommen.Q11 Sein jüdischer Vater Oskar Goldstein, ein Charlottenburger Textilkaufmann, war 1944 ins KZ Theresienstadt deportiert worden und galt als seither verschollen.Q11 Q12

Die „Donaulandschaft“ gelangte jedoch erst nach 1945 auf unbekannten Wegen in den Besitz von Wolfgang Rohde/Goldstein. Im Dezember 1945 hatte Familie Schmidt das Bild bei der Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone zusammen mit ihrer gesamten Wohnungseinrichtung in Oschersleben (Bode), zwischen Magdeburg und Halberstadt gelegen, zurücklassen müssen. Schmidt (gest. 1989) war mit Bissier befreundet. Bevor Familie Schmidt 1935 nach Oschersleben (Bode) umzog, da der Familienvater als Segelflugzeugbauer eine Stelle in der Kontrollleitung der dort ansässigen AGO-Flugzeugwerke erhalten hatte, hatte sie mit Familie Bissier in Freiburg im Breisgau im selben Haus gewohnt und sich den gleichen Bekanntenkreis geteilt. Die „Donaulandschaft“ erhielten die Eheleute Schmidt im Jahr 1927 als Hochzeitsgeschenk vom Künstler.Q6

Auf der Grundlage der oben genannten Forschungsergebnisse entschied die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, im Jahr 2013, das Gemälde an die Familie Schmidt zurückzugeben.

Recherche: HS | Text: HS

Leinwand unten Mitte, Inschrift: Donaulandschaft / Bissier / 1924 / in Sölden entst.
Keilrahmen oben Mitte links, Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts mit Inv.-Nr.: K 50/688
Keilrahmen unten Mitte, Stempel: Eiberle Freiburg i. B. / Künstlerbedarf
Keilrahmen links Mitte, Stempel: Otto Eiberle / Spezialgeschäft / Mal- und Zeichen[unleserlich] / Freiburg i. B.

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 12.6.1964

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 3 (Depot O)

Q3 Protokoll der Ankaufskommission, 28.5.1964, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II/VA 6754, Bl. 370, und Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1893

Q4 Bestellung Beschriftungsschildchen für Neuerwerbungen im Atelier Senta Siller, 12.11.1964, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II/VA 6840, Bl. 23–26

Q5 Rechnung Wolfgang Rohde an Galerie des 20. Jahrhunderts, 4.6.1964, Duplikat, Bildakte Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q6 Akte Herausgabeanspruch Bissier, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 600, Präsident und Hauptverwaltung Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Nr. 2788

Q7 Rückerstattungssache Wolfgang Rohde gegen Deutsches Reich, betr. Schmuck- und Edelmetalle, Landesarchiv Berlin, B Rep. 025-07-188/69

Q8 Windsor-Schuhe Wolfgang Goldstein, Amtsgericht Charlottenburg, Landesarchiv Berlin, B Rep. 042-32831

Q9 Verfahren gegen Kunsthändler Reinheldt, Wolfgang Goldstein u. a. (Devisenvergehen), 1942, Akten des Oberfinanzpräsidiums – Zollfahndungsstelle, Landesarchiv Berlin, A Rep. 092, Nr. 397

Q10 Reichskammer der Bildenden Künste – Personenakte Curt Reinheldt, Landesarchiv Berlin, A Rep. 243-04, Nr. 7085

Q11 Entschädigungsakte Rohde, Wolfgang, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Berlin, Reg.-Nr. 2926

Q12 Entschädigungsakte Goldstein, Oskar, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Berlin, Reg.-Nr. 8563

Q13 Entschädigungsakte Rohde, Else, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Berlin, Reg.-Nr. 200.578

L1 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. Von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 27

L2 Gerard Aalders, Die Enteignung jüdischen Besitzes im Zweiten Weltkrieg, Köln 2000, bes. S. 242 f., S. 327–341