Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Georg Schrimpf (1889–1938)
An der Quelle, 1915

Öl auf Leinwand
95,5 x 75,5 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1952 erworben durch das Land Berlin
Inventarwert: 100 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten links: Schrimpf 15

Inventarnummern
Inventar Land Berlin: 74

Werkverzeichnis-Nummer
Storch/Hofmann/Praeger 1915/3

Foto: Anders, Jörg P. / CC BY-NC-SA
Provenienz
bis zwischen 1916 und 1918 im Besitz des Künstlers
wohl zwischen 1916 und 1918 Herwarth Walden, Galerie Der Sturm, Berlin L8
ab spätestens 1918 bis 1952 Max Leon Flemming, Hamburg und Berlin, wohl erworben bei der Galerie Der Sturm Q1 Q3
1952 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, Schenkung von Max Leon Flemming Q1
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Zwischen Georg Schrimpf und Herwarth Walden, Inhaber der Berliner Galerie Der Sturm und Herausgeber der gleichnamigen Kunstzeitschrift, bestand eine enge Verbindung. Schrimpf fertigte ab 1915 Holzschnitte für den „Sturm“ und wurde später fester Mitarbeiter der Redaktion, die die Zeitschrift bis 1932 regelmäßig herausgab. Im November 1915 begegnete der Maler seiner späteren Ehefrau Maria Uhden in Waldens Galerie; von Mai 1916 bis Februar 1918 stellte er im halbjährlichen Turnus regelmäßig dort aus.L5 L8

Vermutlich kaufte der Kunstsammler Max Leon Flemming Schrimpfs Gemälde „An der Quelle“, das bis 1952 in seinem Besitz blieb, spätestens 1918 in der Galerie Der Sturm an. Er war guter Kunde bei Walden, von dem er schon 1914 ein erstes Bild von Marc Chagall für seine Sammlung erworben hatte, die in den 1920er-Jahren Werke von Pablo Picasso, Franz Marc, Henri Rousseau, Paula Modersohn-Becker, August Macke, Wassily Kandinsky, Paul Klee und Karl Schmidt-Rottluff enthielt.L6 L7 Seine Kollektion gehöre, so bewertete sie Paul Erich Küppers 1922 im „Cicerone“, neben „den Sammlungen Harry Fuld, v. Garvens, Kirchhoff, Kluxen, Bernhard Köhler zu der noch kleinen Runde deutscher Privatkollektionen, in denen der universalere Geist einer neuen Menschheit lebendig ist“.L7

Konsul Flemming (1881–1956) stammte aus einer katholischen Neusser Kaufmannsfamilie. Sein Interesse galt von jeher der Literatur und Kunst, doch zwang ihn der frühe Tod des Vaters dazu, sein geisteswissenschaftliches Studium abzubrechen und den Familienbetrieb, die Seifen- und Stearinfabrik Theodor Flemming Söhne, zusammen mit seinem älteren Bruder zu leiten. 1912 gründete er eine eigene Im- und Exportfirma in Hamburg, zog jedoch wegen der aus seiner Sicht attraktiveren kulturellen Atmosphäre 1928 nach Berlin um. Sein Unternehmen brach ein Jahr später in der Weltwirtschaftskrise zusammen, sodass er einen großen Teil seiner Kunstsammlung verkaufen musste. Schrimpfs Gemälde jedoch dürfte zu jenen gehört haben, die in Flemmings Berliner Wohnung, im obersten Geschoss eines Altbaus zwischen Tiergarten und Potsdamer Platz, die schweren Bombardierungen der Stadt überstanden. Flemmings Wohnhaus blieb das einzig unversehrte des Stadtviertels, wurde jedoch nach dem Krieg für den Neubau der Philharmonie gesprengt.L6 L7

Im Herbst 1945 gründete Flemming zusammen mit dem Künstler Heinz Trökes und dem Buchhändler Gerd Rosen, den er schon seit den 1930er-Jahren kannte, die Galerie Rosen am Kurfürstendamm. Zu seinem Freundeskreis gehörten nun all jene Nachkriegskünstler aus dem „Rosen-Kreis“, deren zeitgenössische Werke Adolf Jannasch für die Galerie des 20. Jahrhunderts zu erwerben suchte.L6 L9 Mit Schrimpfs „An der Quelle“ war es jedoch ein Bild der klassischen Moderne, das Flemming 1952 der Galerie des 20. Jahrhunderts schenkte.Q1 Q3

Recherche: HS | Text: CT/HS

Leinwandrückseite Mitte rechts, Bleistift: An der Quelle
Keilrahmen oben links: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts
Keilrahmen oben links, Bleistift: September 15
Keilrahmen oben rechts, Pinsel, schwarz: Sept. 15
Keilrahmen rechts unten, Adressaufkleber: 7 / Berlin 30
Keilrahmen unten links, Zimmermannsblei: Schrimpf 75/95
Keilrahmen rechts Mitte oben, Bleistift: An der Quelle

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 12.10.1952

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 1 (Depot A)

Q3 Brief Joachim Tiburtius an Konsul Max Leon Flemming, 12.10.1952, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1732

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 163

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 177

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 207

L4 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 188

L5 Karl-Ludwig Hofmann und Christmut Praeger, Werkverzeichnis, in: Wolfgang Storch, Georg Schrimpf und Maria Uhden. Leben und Werk, Berlin 1985, Nr. 1915/3

L6 Hanns Theodor Flemming, Konsul Max Leon Flemming und seine Sammlung moderner Kunst, in: Ulrich Luckhardt und Uwe M. Schneede (Hrsg.), Private Schätze. Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933, Hamburg 2001, S. 82–85

L7 Paul Erich Küppers, Die Sammlung Max Leon Flemming in Hamburg, in: Der Cicerone, Jg. 14, 1922, S. 1–6

L8 Der Sturm. Chagall, Feininger, Jawlensky, Kandinsky, Klee, Kokoschka, Macke, Marc, Schwitters und viele andere, hrsg. von Barbara Alms und Wiebke Steinmetz, Ausst.-Kat. Haus Coburg Sammlung Stuckenberg, Städtische Galerie Delmenhorst, Bremen 2000, S. 227

L9 Markus Krause, Galerie Gerd Rosen. Die Avantgarde in Berlin 1945–1950, Berlin 1995