Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938)
Stillleben mit chinesischem Porzellan, 1920/38

Öl auf Leinwand
70 x 60 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1955 Ankauf des Bezirksamtes Zehlendorf, Berlin

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Teekanne und Wiesenblumen

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten links: E. L Kirchner
zweite Signatur oben links unter der Farbe: EL Kirchner

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: F.V.

Werkverzeichnis-Nummer
Gordon WV 661

Foto: CC BY-NC-SA
Provenienz
bis 1938 Ernst Ludwig Kirchner Q4 Q6 Q7 Q8
1938 bis 1955 Nachlass Kirchner (Stempel)
1955 Galerie Aenne Abels, Köln L4 Q1
1955 bis 1960 Bezirksamt Zehlendorf, eventuell erworben durch Vermittlung Leopold Reidemeisters Q2
1960 bis 1968 als Dauerleihgabe des Bezirksamts Zehlendorf in der Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin
seit 1968 als Dauerleihgabe des Bezirksamts Zehlendorf (über das Land Berlin) in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Das „Stillleben mit chinesischem Porzellan“ von Ernst Ludwig Kirchner ist nicht im Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts verzeichnet. Das liegt daran, dass es die Galerie nicht selbst erwarb, sondern 1960 als Dauerleihgabe des Bezirksamts Berlin-Zehlendorf erhielt. Da die Akten keinen Eigentumsübergang in der Folgezeit dokumentieren, ist davon auszugehen, dass das Gemälde bis heute dem Bezirksamt Zehlendorf gehört, es sich dabei also um Eigentum des Landes Berlin handelt. Im Inventar der Nationalgalerie, wohin es 1968 mit Fusion der Kunstsammlungen gelangte, wird es als „F. V.“ (Fremdvermögen) geführt.

Die Datierung des Bildes ist eine doppelte: Es entstand im Jahr 1920 und wurde 1938 – kurz vor seinem Tod – vom Künstler übermalt. 1920 war das Werk zunächst bei Kirchner verblieben und mehrfach von ihm für Ausstellungen verliehen worden. So wurde es 1923 bis mindestens zum Juni 1924 in der Kunsthalle Basel gezeigt Q6 Q7 und gelangte direkt von dort aus nach Winterthur zu einer Ausstellung im dortigen Museum.Q8 1937 schickte Kirchner das Bild von seinem damaligen Wohnort Davos aus an die Buchholz Gallery in New York, wo es ein weiteres Mal im noch originären Malzustand präsentiert wurde.Q9 Da Kirchner die Übermalungen seiner Gemälde stets im Atelier auszuführen pflegte, muss das Stillleben von Curt Valentin im Oktober 1937 unverkauft an den Künstler in die Schweiz zurückgeschickt worden sein,Q4 wo Kirchner es 1938 überarbeitete.

Nach Kirchners Freitod am 15. Juni 1938 betreute zunächst sein jüngerer Bruder Walter Kirchner (1882–1954) den künstlerischen Nachlass. Da das Gemälde rückseitig den Nachlassstempel trägt, ist es offenbar dem Konvolut zuzuordnen, das bis 1955 von der Schweiz als „Feindvermögen“ zur Ausfuhr gesperrt war. Auf Drängen der Alliierten gab das Land schließlich in jenem Jahr etwa 340 Kirchner-Gemälde und 9.000 Handzeichnungen zum Transfer nach Westdeutschland frei. Dort stand es in der Kölner Galerie Aenne Abels zum Verkauf und wurde vom Bezirksamt Zehlendorf erworben.

Recherche: HS | Text: CT/HS

Stilleben mit chinesischem Porzellan / EL Kirchner / 20; Nachlassstempel E. L. Kirchner KN-Da/Ac 10

Q1 Besprechungsprotokoll zwischen Nationalgalerie (Schneider, Witte) und Senat (Schmock) vom 30.11.1994, Ordner 1, 3894/3-31(7)11, Akten der Senatsverwaltung, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin

Q2 Schreiben Nationalgalerie (Schneider) an Senat (Ruft) vom 28.12.1999 und zugehörige handschriftliche Notizen, 1, 3894/3-31(7)11, Akten der Senatsverwaltung, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin

Q3 Nachtrag zur Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen], 13.9.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q4 Brief Kirchner an Curt Valentin, 1.9.1937, The Museum of Modern Art Archives, Curt Valentin Papiers, publiziert in: Hans Delfs (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel, Bd. 3: Briefe von 1930–1942, Zürich 2010, Nr. 3382

Q5 Korrespondenz zwischen Adolf Jannasch und D. E. Gordon, Juni–September 1964, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0303-01-006.1 bis -006.3.2, hier bes. -006.2.5: Fragebogen zum WVZ

Q6 Verzeichnis der nach Basel abgegangenen Bilder, Bilderliste Kirchner an Kunsthalle Basel, 17.5.1923, publiziert in, Hans Delfs (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel, Bd. 3: Briefe von 1930–1942, Zürich 2010, Nr. 1104

Q7 Verzeichnis der in der Kunsthalle Basel lagernden Bilder, Brief Wilhelm Barth an Kirchner, 26.5.1924, publiziert in: Hans Delfs (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel, Bd. 3: Briefe von 1930–1942, Zürich 2010, Nr. 1240

Q8 Liste „Bilder für Winterthur“, Brief Kirchner an Barth, 2.6.1924, publiziert in: Hans Delfs (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel, Bd. 3: Briefe von 1930–1942, Zürich 2010, Nr. 1242

Q9 Liste der von Frauenkirch direkt nach New York versandten Bilder, Brief Kirchner an Valentin, 8.4.1937, publiziert in: Hans Delfs (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel, Bd. 3: Briefe von 1930–1942, Zürich 2010, Nr. 3321

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 106

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 125

L3 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 107 f.

L4 Deutsche Stilleben, Ausst.-Kat. Haus am Waldsee, Berlin 1955

L5 Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog sämtlicher Gemälde, München 1968, Nr. 661