Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Edvard Munch (1863–1944)
Der Wald, 1927

Öl auf Leinwand
88 x 83 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1956 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 38.000 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Tannenwald; Hitze im Tannenwald

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten links: E. Munch / 1927

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 139
Inventar Land Berlin: 139
Weitere Nummern: 20/27

Werkverzeichnis-Nummer
Woll WV 1633

Foto: Anders, Jörg P. / CC BY-NC-SA
Provenienz
wohl bis 1944 im Besitz des Künstlers
wohl 1931 Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf, wohl in Kommission L10 Q12 Q13
unverkauft zurück an den Künstler
1932 Kunsthaus Zürich, zum Verkauf L9 Q12 Q14
wohl unverkauft zurück an den Künstler
1932 Blomqvist Kunsthandel AS, Oslo
wohl unverkauft zurück an den Künstler
1944 Nachlass Edvard Munch, Ekely L5
1949 City Auksjon, Oslo (Nachlass-Auktion Edvard Munch) L5
bis 1954 „ausländischer Privatbesitz“ L6
1954 Erling Haghfelt Kunsthandel, Kopenhagen L5 L6
1954 Galerie Beyeler, Basel L12
1954 Kunstmuseum Winterthur, zum Verkauf L11
Schweizer Privatbesitz Q6 Q7 Q8 Q9 Q15
1955/56 Kunstkabinett Asta von Friedrichs, Berlin, wohl in Kommission Q8
1956 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben beim Kunstkabinett Asta von Friedrichs Q1
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Zwei Zollstempel auf der Rückseite von Edvard Munchs „Wald“ zeugen davon, dass das Bild seit seiner Entstehung 1927 mehrfach Ländergrenzen passiert hatte. Bis zum Ankauf für die Galerie des 20. Jahrhunderts 1956 ist es in Norwegen, Deutschland, Dänemark und in der Schweiz nachgewiesen.

Wiederholt bemühte sich Munch darum, einen Käufer für sein Naturstück zu finden, das 1930 noch bei einer „Freilichtausstellung“ vor seinem Atelier im norwegischen Ekely fotografiert worden war.Q11 1931 sandte es der Künstler an Alfred Flechtheim nach Düsseldorf, der es für ihn, wahrscheinlich in Kommission, veräußern sollte.L10 Es blieb jedoch unverkauft und wurde auf Munchs Geheiß in die Schweiz weitergeschickt: Das Kunsthaus Zürich übernahm Flechtheims Munch-Ausstellung, bereicherte sie durch einige zusätzliche Werke, die der Künstler direkt aus Norwegen beisteuerte, und präsentierte sie in den Ausstellungsräumen in Kombination mit Werken Paul Gauguins.L9 Q12 Dem Direktor des Kunsthauses Wilhelm Wartmann teilte Munch explizit mit, dass sein Gemälde „Hitze im Tannenwald“ ein verkäufliches sei.Q14 Es wurde mit 8.000 SFr. taxiert. Offenbar fand das Bild jedoch auch in Zürich keinen Käufer – Unterlagen über den konkreten Verbleib haben sich im Archiv des Kunsthauses Zürich nicht erhalten. Noch 1932 jedoch wurde es im Blomqvist Kunsthandel AS wieder in Oslo präsentiert, muss also nach der Schweizer Schau an den Künstler in Norwegen zurückgesandt worden sein.

Einen Käufer scheint Munch zu Lebzeiten nicht mehr gefunden zu haben, denn 1949 wurde der „Wald“ in der City Auksjon Oslo mit Teilen des künstlerischen Nachlasses des am 23. Januar 1944 verstorbenen Malers versteigert.L5 Seinen gesamten Nachlass hatte der Maler der Stadt Oslo vermacht, die nach seinem Tod auf dem Ateliergrundstück in Ekely unter anderem über 1.000 Gemälde, 4.700 Zeichnungen, 15.500 graphische Blätter und 500 Druckplatten auffand, teilweise in feuchten Kellern, teilweise in Bretterverschlägen, die Munch in seinem Park hatte errichten lassen. Die Restauratoren der Osloer Nationalgalerie nahmen sich der Sicherung der gefährdeten Gemälde an und verbanden die abblätternden Farbschichten wieder mit den Malgründen.L7 L8 Einen Großteil dieser Werke aus dem Nachlass, die nicht zuvor anderweitig veräußert wurden, übergab die Stadt Oslo später dem in den 1960er-Jahren errichteten Munch-Museet.

Als der „Wald“ 1954 erneut im nunmehr dänischen Kunsthandel auftauchte, war er mit 21 weiteren Munch-Bildern aus anonymem, nicht in Deutschland oder Dänemark ansässigem „ausländischen Privatbesitz“ an den Erling Haghfelt Kunsthandel in Kopenhagen übergeben worden.L6 Der Kaufpreis betrug 68.000 Kronen. Offenbar ohne Verkaufserfolg in Dänemark übernahm die Baseler Galerie Beyeler das Werk in eine Munch-Ausstellung, die anschließend im Kunstmuseum Winterthur gezeigt wurde (freundliche Mitteilung von Petra Pettersen, Munch-Museet Oslo, 2.8.2012 und Dieter Schwarz, Kunstmuseum Winterthur, 2.8.2012),L8 L12 angereichert durch Leihgaben aus dem Kunsthaus Zürich: „Mit Dankbarkeit hat der Kunstverein Winterthur die Gelegenheit ergriffen“, so heißt es im Vorwort des Ausstellungskatalogs, „die schöne, mit angelegentlicher Liebe zusammengestellte Munch-Ausstellung der Galerie Beyeler in Basel zu übernehmen.“L11

Schließlich findet sich das Gemälde in Schweizer Privatbesitz wieder.Q6 Q7 Q8 Q9 Q15 Asta von Friedrichs berichtete Adolf Jannasch anlässlich der Ankaufsverhandlungen am 10. Oktober 1955: „Aus der Schweiz habe ich leider hinsichtlich des Bildes von Edvard Munch ‚Der Wald‘ eine einschränkende Antwort auf meine Bitte um Verlängerung der Ansichtssendung erhalten.“Q15 Der Besitzer bat um einen raschen Bescheid, da er noch im selben Monat in die USA reisen werde. Um den Privatbesitz von Ernst Beyeler handelte es sich jedoch nicht – er behielt kein einziges Werk aus der Munch-Ausstellung in seiner Sammlung (freundliche Mitteilung von Ulf Küster, Fondation Beyeler, 3.8.2012). Unwahrscheinlich ist desgleichen eine direkte Übergabe aus dem Lagerbestand der Galerie Beyeler an Asta von Friedrichs, da die Galerie Beyeler in der Ankaufskorrespondenz gewiss namentlich genannt worden wäre, denn Jannasch war selbst Kunde der Schweizer Kunsthandlung und über deren Angebot informiert. Von einem weiteren Zwischenbesitzer ist also auszugehen, den auch Jannasch nicht namentlich gekannt haben dürfte, als er das Waldstück im März 1956 für die Galerie des 20. Jahrhunderts erwarb.

Recherche: HS | Text: HS

Leinwand unten links: runder Zollstempel
Keilrahmen rechts Mitte, Nummer, rot, auf Holz gestempelt: B 90 C
Keilrahmen rechts oben, handschriftlich, rot: B
Außenrahmen rechts Mitte, Etikett mit Nummer: 216
Außenrahmen rechts unten, handschriftlich, blau: K 10
Außenrahmen, Ecke: runder Zollstempel
diverse Aufkleber von Ausstellungen nach 1956

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 21.3.1956

Q2 Nachtrag zur Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen], 13.9.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q3 Brief Adolf Jannasch an Senatsdirektion, 22.3.1956, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II/VA 6754, Bl. 285

Q4 Liste der Stiftungen der Deutschen Klassenlotterie, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Ordner B: Vereinigte Kunstsammlungen

Q5 Liste Platten – Kasten III, Galerie M–R, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Ordner B: Vereinigte Kunstsammlungen

Q6 Brief Käthe Gläser an Vbildg. V/Ltr. (Senatsabteilung Volksbildung), Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0700-22-076

Q7 Brief Adolf Jannasch an Edwin Redslob mit der Bitte um ein Gutachten, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0700-22-080

Q8 Angebot Asta von Friedrichs an Adolf Jannasch, 26.6.1955, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0200-05-042.12

Q9 Brief Asta von Friedrichs an Adolf Jannasch, 24.6.1955, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0100-09-262.3

Q10 Liste Platten – Kasten I, Galerie A–K, 25.7.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-040.1 bis -040.3, Nr. 58

Q11 Foto Freilichtausstellung Atelier Munch, in: Hans Törsleff-Kopenhagen, Edvard Munch … Der Einsiedler von „Ekely“, 1930, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, V/Sammlung Künstler: Munch, Edvard, Drucke II

Q12 Sitzung der Ausstellungskommission, 9.6.1931, Protokolle der Ausstellungskommission 11.4.1929–9.8.1932, Archiv Kunsthaus Zürich

Q13 Brief Edvard Munch an Wilhelm Wartmann, Kunsthaus Zürich, 7.12.1931, Korrespondenz Künstler A–Z, 1.10.1931–31.5.1932, Archiv 10.30.30.178, Archiv Kunsthaus Zürich

Q14 Brief Edvard Munch an Wilhelm Wartmann, Kunsthaus Zürich, 8.2.1932, Korrespondenz Künstler A–Z, 1.10.1931–31.5.1932, Archiv 10.30.30.178, Archiv Kunsthaus Zürich

Q15 Brief Asta von Friedrichs an Adolf Jannasch, 10.10.1955, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0100-09-262.1

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 136

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 148

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 173

L4 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 163

L5 Gerd Woll, Edvard Munch. Complete Paintings. Catalogue Raisonné, 4 Bde., London und New York 2009, Nr. 1633

L6 E. B., 22 Munch’s in Kopenhagen angeboten, in: Weltkunst, Jg. 24, Nr. 20, Oktober 1954, S. 3

L7 Erhard Göpel, Edvard-Munch-Ausstellung in München, in: Weltkunst, Jg. 24, Nr. 23, Dezember 1954, S. 3

L8 Heinrich Wigand Petzet, Wiederbegegnung mit Munch. Eine Ausstellung bei Beyeler in Basel, in: Weltkunst, Jg. 35, Nr. 21, November 1965, S. 1023

L9 Edvard Munch. Paul Gauguin, Ausst.-Kat. Kunsthaus Zürich 1932, Nr. 37

L10 Edvard Munch, Ausst.-Kat. Galerie Alfred Flechtheim Düsseldorf 1931, Nr. 15

L11 Edvard Munch. 1863–1944, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Winterthur 1954, Nr. 22

L12 Edvard Munch, Ausst.-Kat. Galerie Beyeler Basel 1954, Nr. 4

L13 Dr. P: Munchs Nachlaß, in: Weltkunst, Jg. 22, Nr. 8, 15.4.1952, S. 4