Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Max Pechstein (1881–1955)
Doppelbildnis (Verso: Skizze [drei Akte]), 1910

Öl auf Leinwand
89,5 x 89,5 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1966 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 25.000 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Doppelbildnis (Max Pechstein und Charlotte Kaprolat); Selbstbildnis, mit Frau Lotte; Doppelbildnis (Selbstbildnis mit seiner ersten Frau Lotte)

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten links: Pechstein 1910

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 888
Inventar Land Berlin: 888
Weitere Nummern: 888/71

Werkverzeichnis-Nummer
Soika WV 1910/67

Foto: Anders, Jörg P. / © Pechstein Hamburg/Trökendorf / VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Provenienz
bis um 1921 im Besitz des Künstlers
um 1921 bis 1961 Eduard Plietzsch, Berlin und Köln, erworben vom Künstler Q4 Q5 Q6 Q7 Q8 Q10 L4 L7 (Rückseite)
1961 bis 1966 Mica Plietzsch, Köln, per Erbschaft Q4 Q9 L7
1966 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben aus Mitteln der Deutschen Klassenlotterie von Mica Plietzsch Q1 Q4 Q5
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Als Mica Plietzsch 1966 das „Doppelbildnis“ Max Pechsteins mit seiner ersten Ehefrau Charlotte Kaprolat an die Galerie des 20. Jahrhunderts verkaufte, schrieb sie Adolf Jannasch über die Provenienz des Bildes: „Mein Mann hat es damals von Max Pechstein erworben, da es uns eben sehr gut gefiel und Martha Pechstein es in ihrer jungen Ehe nicht gerne sah, trennte sich der liebe Maxe auch davon, heute wird Martha Pechstein sehr froh darüber sein, daß es in Berlin am rechten Platz ist.“Q5 Pechstein ließ sich 1921 von Lotte scheiden und ging eine zweite Ehe mit Martha Möller ein, sodass demnach der Kunsthändler Eduard Plietzsch, Micas Ehemann, das Bild etwa um diese Zeit gekauft haben dürfte. Von Gabriel White (Arts Council, London) 1964 nach der Geschichte des „Doppelbildnisses“ befragt, erinnerte sich Mica Plietzsch jedoch, dass es sich sogar schon in den 1910er-Jahren in Familienbesitz befunden habe: „Würde mein Mann noch leben, könnte er Näheres darüber sagen, er muss es schon früh erworben haben, da es 1918–19 schon in seinem Besitz war.“Q10 Nachweislich jedoch war Eduard Plietzsch spätestens 1928 Eigentümer des Gemäldes, da er es in jenem Jahr für die „Ausstellung neuerer deutscher Kunst aus Berliner Privatbesitz“ als Leihgabe aus seinem Besitz dem Berliner Kronprinzenpalais zur Verfügung stellte.L6 Q7

Bis 1929 führte Plietzsch die Berliner Filiale der Galerie van Diemen & Co. Als die Kunsthandlung sich 1929 mit der Galerie Dr. Benedict & Co. zusammenschloss, übernahm er gemeinsam mit Curt Benedict die Leitung des fusionierten Unternehmens. Van Diemen gehörte zu dem 1912 gegründeten Margraf-Konzern, der 1935 als jüdischer Betrieb liquidiert wurde. Plietzsch wurde die Gesamtleitung über die Auflösung des Kunsthandelskonzerns übertragen. Parallel dazu gründete er seine eigene Kunsthandlung, in der er sich auf den Handel mit Gemälden alter Meister spezialisierte. Seit etwa 1940 war er in Zusammenarbeit mit Kajetan Mühlmann für die „Dienststelle Mühlmann“ im Reichskommissariat des deutsch besetzten Den Haag als Experte für niederländische Malerei tätig und befasste sich unter anderem mit der Zusammenstellung von beschlagnahmter Kunst für das „Führermuseum“ in Linz und die Sammlung Hermann Görings.L2 Das „Doppelbildnis“ blieb von Plietzschs kunsthändlerischen Aktivitäten in der NS-Zeit jedoch völlig unberührt und befand sich durchgängig in seinem privatem Besitz. Plietzsch gehörte zu den engen Freunden und Förderern des Künstlers. Mindestens vier Pechstein-Gemälde nannte er in den 1920er-Jahren sein Eigen.L8 L9

Recherche: HS | Text: HS

unvollendete Skizze einer Komposition mit drei Akten [Mann, liegende Frau, Kind] in Landschaft mit untergehender Sonne
Keilrahmen oben links: Aufkleber Hasenkamp zur Ausstellung „Die Brücke“ [Leihgeberin: Dr. Mica Plietzsch, o. D.]
Keilrahmen oben links: Aufkleber Hasenkamp Köln zur Ausstellung „Expression[…]“ [Leihgeberin: Dr. Mica Plietzsch, o. D.]
Keilrahmen oben Mitte links: Besitzetikett Dr. Eduard Plietzsch, Köln
Keilrahmen oben Mitte: Aufkleber Venice 1952 [Leihgeber: Eduard Plietzsch, Berlin, mit Stempel der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München]
Keilrahmen oben Mitte rechts: Aufkleber der Biennale Venedig 1952, Nr. 141
Keilrahmen oben rechts, Etikett: ec / Merci / Dogana Italiana / […]157
Keilrahmen oben rechts, Aufkleber: Mostra del […] Expressionismo / Leihgeberin Mica Plietzsch, Köln / Pechstein / HR. 14
Keilrahmen Mitte rechts, eingeritzt: CHT 203
Keilrahmen Mitte unten: Aufkleber der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Keilrahmen Mitte links, eingeritzt: E. H. 50680 II
Keilrahmen Mitte links oben: unleserlicher Schriftzug
Keilrahmen oben rechts, Bleistift: Eduard Plietzsch

Rückseite
Foto: Kilger, Andres
Rückseite Aufkleber Ausstellung Expressionismo
Foto: Kilger, Andres

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 12.1.1967

Q2 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 2

Q3 Liste Platten – Kasten III, Galerie M–R, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Ordner B: Vereinigte Kunstsammlungen

Q4 Brief Mica Plietzsch an Adolf Jannasch, 19.10.1966, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0700-01-001.1

Q5 Brief Mica Plietzsch an Adolf Jannasch, 28.10.1966, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0700-01-001.2

Q6 Leihanfrage Leopold Reidemeister an Eduard Plietzsch, 24.11.1958, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II/VA 6846

Q7 Rückgabebestätigung der Leihgaben von Eduard Plietzsch im Kronprinzenpalais, 19.3.1928, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, I/NG 719, Bl. 399

Q8 Liste von Werken Max Pechsteins, die auf der Biennale Venedig gezeigt werden können, einschließlich deren Besitzer, 1952, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1797

Q9 Brief Adolf Jannasch an Eberhard Hanfstaengl, 4.2.1952, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1797

Q10 Brief Mica Plietzsch an Gabriel White (Arts Council, London), 16.8.1964, Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, NL Plietzsch, Eduard, II,B-2

Q11 Sammler-Notizbuch Adolf Jannasch, Privatbesitz

L1 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 167

L2 Laura Meier-Ewert, Eduard Plietzsch. Dem Zeitgeist stets zu Diensten, in: Gute Geschäfte. Kunsthandel in Berlin 1933–1945, Ausst.-Kat. Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e. V. im Centrum Judaicum Berlin und im Landesarchiv Berlin, Berlin 2001, S. 87–92

L3 Der junge Pechstein, hrsg. von Leopold Reidemeister, Ausst.-Kat. Hochschule für Bildende Künste Berlin (West), Berlin 1959, Nr. 58

L4 XXVI. Biennale di Venezia, Ausst.-Kat. Venedig 1952, Nr. 56

L5 Eduard Plietzsch, „… heiter ist die Kunst“. Erlebnisse mit Künstlern und Kennern, Gütersloh 1955, S. 57–65, 101

L6 Ausstellung neuerer deutscher Kunst aus Berliner Privatbesitz, Ausst.-Kat. Nationalgalerie Berlin 1928, Nr. 162

L7 Aya Soika, Max Pechstein. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. 1: 1905–1918, München 2011, Nr. 1910/67

L8 Aya Soika, Im Kreis von Freunden. Max Pechstein und die Förderer seiner Kunst, in: Hermann Gerlinger und Katja Schneider (Hrsg.), Gemeinsames Ziel und eigene Wege. Die „Brücke“ und ihr Nachwirken (Almanach der Brücke, 1), München 2010, S. 78–89

L9 Christian Vogel (Hrsg.), „Mein lieber Ede …“. Künstlerpost von Max Pechstein an Eduard Plietzsch, Hamburg 1996