Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Władysław Strzemiński (1893–1952)
Unistische Komposition, 1932

Tempera auf Pappe
30 x 20 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1980 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 50.000 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unbezeichnet

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 1133
Inventar Land Berlin: 1133

Foto: Anders, Jörg P. / © Nachlass Władysław Strzemiński
Provenienz
bis 9.3.1973 Jadwiga Marcinkiewicz, Warschau Q4
seit 9.3. 1973 Eheleute Broniatowski, Warschau, per Erbschaft Q4
bis 1980 Karol Broniatowski, Warschau und Berlin, per Erbschaft Q4 Q5
1980 erworben aus Mitteln des Landes Berlin (Deutsche Klassenlotterie) von Karol Broniatowski, vermittelt durch Anatol Gottfryd, für die Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Q3 Q1
Aus Mitteln des Landes Berlin, bereitgestellt durch die Deutsche Klassenlotterie, erwarb Dieter Honisch, damaliger Direktor der Nationalgalerie, 1980 „Unistische Komposition“ von Władysław Stremiński für die Vereinigten Kunstsammlungen. Das Gemälde wurde am 14. April 1980 in das Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie eingetragen.Q1 Darin und auf der Ansichtsrechnung wird der Zahnarzt Dr. A. Gotfryd in der Damaschkestraße 6 in Berlin als Verkäufer genannt.Q3 Tatsächlich war Gotfryd aber nicht Eigentümer des Bildes, sondern lediglich Kaufvermittler zwischen Dieter Honisch und dem eigentlichen Vorbesitzer, dem in Berlin lebenden polnischen Bildhauer Karol Broniatowski.Q5

2012 schilderte Anatol Gotfryd die Zusammenhänge wie folgt: „Ich war jahrelang auch als Mitglied des Vereins der Freunde der Nationalgalerie mit der Nationalgalerie eng verbunden und mit dem Direktor Dieter Honisch sehr nah befreundet, wobei ich an ihm ganz besonders sein profundes Wissen über die osteuropäische Kunst geschätzt habe. Er war mit dem Direktor des Museums Sztuki in Łódź, Władysław Stanisławski, ganz herzlich befreundet und seine Verehrung der Kunst Władysław Stremińskis hatte fast obsessive Züge. Daher, als ich von Roman Opalka erfuhr, dass unser Freund, der Bildhauer Karol Broniatowski (Denkmal am Bahnhof Grunewald) ein Bild von Stremiński, von dem er sich eventuell zu trennen bereit wäre, besitzt, habe ich die beiden zusammengebracht. Weder war ich Eigentümer oder Vorbesitzer der ‚Unistischen Komposition‘ noch an der finanziellen Transaktion beteiligt und kann nur mutmaßen, dass ich als Verkäufer genannt wurde, um Karol Broniatowski zu schützen, weil derartige Ausfuhren aus Polen streng untersagt waren und er zu dieser Zeit seinen Hauptwohnsitz noch in Warschau hatte.“Q5

Karol Broniatowski (geb. 23. April 1945 in Łódź) selbst unterstreicht in einem Brief vom 27. September 2012 Gotfryds Ausführungen: „Ich will bestätigen, dass das Bild tatsächlich in meinem privaten Besitz war und Herr Prof. Honisch […] es 1980 von mir erwarb. Der Hinweis auf Dr. Gotfryd hatte damals sozusagen ‚technische Gründe‘, da es mich als polnischen Staatsbürger in den 80er-Jahren in Schwierigkeiten mit den polnischen Behörden gebracht hätte, wenn ich als Verkäufer aufgetreten wäre. Die kleine Komposition von Strzeminski gehörte meiner Familie, genauer gesagt meiner Tante Dr. Jadwiga Marcinkiewicz, einer in Warschau bekannten Zahnärztin. Neben der Medizin hat sie sich auch für Kunst interessiert und die kleine Pappe zusammen mit anderen Blättern in einer Mappe aufbewahrt. Als sie starb, ist diese Mappe an meine Eltern gegangen und sie gaben sie mir. Präzisere Informationen darüber, woher meine Tante das Bild hatte, kann ich nicht geben. Ich weiß aber aus den Gesprächen in der Familie, dass sie manchmal von Patienten auch Geschenke bekam und ich denke, dass es auch mit dem Strzeminski so war. Mir selbst hat das Bild damals sehr viel bedeutet, wegen der Geschichte der polnischen Avantgarde vor dem Krieg und ich war schon sehr froh, Besitzer dieser Komposition zu sein. Prof. Honisch hat diese künstlerische Wertschätzung geteilt.“Q4

Dr. Anatol Gotfryd (geb. 1930 in Kolomea/Polen) entkam als Junge durch Flucht aus einem Transportzug der Einlieferung in das Vernichtungslager Belzec und ließ sich nach dem Studium in Warschau in West-Berlin als Zahnarzt nieder. Zu den Bekannten und Patienten in seiner Praxis am Kurfürstendamm zählen zahlreiche bedeutende Künstler, Schriftsteller und Regisseure. Er engagiert sich für die Freunde der Nationalgalerie und war Mitbegründer der Graphischen Gesellschaft zu Berlin (vgl. Anatol Gotfryd, Der Himmel in den Pfützen. Ein Leben zwischen Galizien und dem Kurfürstendamm, Berlin 2005).

Recherche: CT | Text: CT

ähnliche Komposition in Grau

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 14.4.1980

Q2 Aufstellung der Erwerbungen 1977–1981, 9.2.1982, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Ordner B: Vereinigte Kunstsammlungen

Q3 Ansichtsrechnung Anatol Gotfryd an Dieter Honisch, 4.12.1979, Bildakte Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q4 freundliche Auskunft von Karol Broniatowski, 27.9.2012

Q5 freundliche Auskunft von Anatol Gotfryd, 19.7.2012