Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Lovis Corinth (1858–1925)
Die Schloßfreiheit in Berlin, 1923

Öl auf Leinwand
104 x 79 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1955 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 16.500 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Schloßfreiheit in Berlin, gesehen von der Darmstädter Bank aus; Das Berliner Schloss von der Darmstädter Bank aus

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
links Mitte oben: LOViS CORiNTH. / 1923.

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 123
Inventar Land Berlin: 123
Weitere Nummern: 19/22

Werkverzeichnis-Nummer
Berend-Corinth 1992 WV 894

Foto: CC BY-NC-SA
Provenienz
bis 1925 im Besitz des Künstlers
1925 bis 1955 Charlotte Berend-Corinth und Wilhelmine Corinth[-Klopfer], Berlin und New York, per Erbschaft Q8 Q11 Q12 Q13 Q18 Q21 L8
1955 Galerie Grosshennig, Düsseldorf Q1 Q4 Q5 Q6 Q7 Q8 Q14 Q20 Q21
1955 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben bei der Galerie Grosshennig Q1 seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Die selbst als Künstlerin tätige Charlotte Berend-Corinth (1880–1967) widmete sich nach dem Tod ihres Ehemannes Lovis Corinth 1925 der Sichtung, Ordnung und Verwaltung seines künstlerischen Nachlasses. Sie veröffentlichte 1926 posthum seine Autobiografie,L10 begann zeitgleich mit der Arbeit am Werkverzeichnis seiner Gemälde und organisierte für ihn eine Gedächtnisausstellung in der Berliner Nationalgalerie, in der auch „Die Schlossfreiheit in Berlin“ zu sehen war.L6 Erneut übergab ihr Sohn Thomas Corinth (geb. 1904) dasselbe Bild im Sommer 1928 mit 35 weiteren Gemälden und zwei Kisten Graphik zur Aufbewahrung der Nationalgalerie, diesmal als Dauerleihgabe.Q19

1933 beorderte er „51 Corinth-Bilder für Zürich aus dem Besitz von Fr. Corinth“ aus dem Berliner Museum zurück.Q11 Q12 Q13 Die Familie fügte diese Werke den insgesamt mehreren Hundert bei, die sie durch die Spedition Haberling in die Schweiz transferieren ließ, darunter als eines von 97 Ölgemälden die „Schlossfreiheit“.Q17 Wilhelm Wartmann, der Direktor des Kunsthauses Zürich, hatte sich bereit erklärt, die Werke aus dem Corinth-Nachlass in seinem Museum zu verwahren. Aus diesen eingelagerten Beständen organisierte die Kunsthalle Basel 1936 eine Gedächtnisausstellung für den Künstler. Das Kunsthaus Zürich schickte zu diesem Zweck nebst der für 3.600 SFr. versicherten „Schlossfreiheit“ weitere 25 Gemälde sowie je 13 Aquarelle und Zeichnungen nach
Basel.Q17 L9

In der Zwischenzeit zog sich Charlotte Berend-Corinth ins Ausland zurück. Sie war zwar früh zum evangelischen Glauben konvertiert,Q24 gehörte jedoch als Tochter eines jüdischen Kaufmanns zu dem in der NS-Zeit verfolgten Personenkreis.Q22 Q23 Q25 Q26 Schon 1932 war sie nach Italien übergesiedelt.L11 L12 1936 kehrte sie noch einmal nach Berlin zurück, um ihre Wohnung und ihr Atelier in der Klopstockstraße aufzulösen.Q27 Die Tatsache, dass sie zu jener Zeit nach Berlin reisen durfte und das Land unbeschadet wieder gen Italien verließ, lässt darauf schließen, dass sie über eine offizielle Genehmigung zum Auslandsaufenthalt verfügte.

1937 wurde das Werk von Lovis Corinth als „entartet“ eingestuft; seine Bilder wurden aus deutschen Museen entfernt, in der Münchner Schau „Entartete Kunst“ verfemt und ins Ausland verschleudert.Q27 Auch die Repressalien gegen Charlotte Berend-Corinth nahmen zu: „Wenngleich ich auch noch für mich persönlich malen konnte, so wurde doch meine Stilart zu malen durch die damaligen nationalsozialistischen Kunstdiktatoren in so bemerkenswerter Weise negativ gebrandmarkt, daß ich keine Schüler mehr bekam und auch keine Porträt-Aufträge mehr erhielt. Dadurch wurde ich in meiner beruflichen Tätigkeit völlig lahmgelegt und hatte kein Einkommen mehr, so daß ich gezwungen war, Berlin zu verlassen.“Q26 Als schließlich die italienischen „Rassegesetze“ eingeführt wurden, entschloss sie sich 1939 endgültig zur Auswanderung über die Schweiz zu ihrem Sohn Thomas nach New York, der schon seit 1931 dort lebte. Nach wenigen Monaten zog sie nach Santa Barbara/Kalifornien, kehrte jedoch 1943 nach New York zurück, um dort eine eigene Malschule zu eröffnen. Auch ihre Tochter Wilhelmine (geb. 1909), die mit ihrem Mann den Zweiten Weltkrieg in Hamburg überlebte, folgte 1948 nach New York nach.L12 An ihre erste Zeit in den USA erinnerte sich Charlotte Berend-Corinth anlässlich ihres 1962 bei den Berliner Entschädigungsbehörden eingereichten Entschädigungsantrags: „Ich kam 1939 nach Amerika. Dort war der Anfang im pekuniären Sinne sehr schwer. Ich hatte meine kostbaren Möbel und Porzellane, wertvolle Sammlungen von Kunstgegenständen eingebüsst. Ich hatte nichts mit mir als meinen persönlichen Bedarf.“Q27

Die „Schlossfreiheit“ jedoch befand sich 1936 als ihr uneingeschränktes Eigentum in der Ausstellung der Kunsthalle Basel.Q17 L9 Wilhelmine Corinth-Klopfer notierte 1996 auf dem Umschlag, in dem sie die Korrespondenz mit Wilhelm Wartmann einschließlich der Werkliste der nach Basel gesandten Werke verwahrte: „After the exhibition in Basel these works by L. C. were shipped to my mother and Thomas to New York. They saved them from the NAZIS. Feb. 21, 1996“.Q17 1955 übergab Charlotte Berend-Corinth das Bild zum Verkauf an die Düsseldorfer Galerie Grosshennig, die ihrerseits Adolf Jannasch als Käufer gewinnen konnte.Q1 Q4 Q6 Q7 Q8 Q14 Q21

Recherche: HS | Text: HS

Außenrahmen oben links, Aufkleber: Ausstellung Tate Gallery 1997
Außenrahmen oben Mitte links, Aufkleber: Lovis Corinth / Schloßfreiheit [mit handschriftlicher Nummer, rot:] 1024
Außenrahmen oben Mitte, Aufkleber Ausstellung „La realtà interiore“
Keilrahmen oben links, ellipsenförmiger Zollstempel: [unleserlich] Frachtgut
Keilrahmen oben links, Kreide, blau: 796 / II Keilrahmen oben links: teils abgelöstes Etikett
Keilrahmen oben links, Kugelschreiber: 86
Keilrahmen oben links: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts [handschriftlich]
Keilrahmen oben Mitte links, teils abgelöstes Etikett mit Textfragment: […] Palace […] 23; darunter Maßangabe in Zoll Keilrahmen oben Mitte: teils abgelöstes Etikett
Keilrahmen oben Mitte rechts: Zollstempel [unleserlich]
Keilrahmen oben Mitte rechts, Bleistift: Herr Professor
Keilrahmen oben Mitte rechts, Signatur: Corinth
Keilrahmen oben Mitte rechts: teils abgelöstes Etikett
Keilrahmen rechts Mitte: Zollstempel mit Bundesadler und unleserlichem Stempel daneben [Adressstempel?]
Keilrahmen rechts Mitte, Kreide, blau: (13)
Keilrahmen unten rechts, Kreide, rot: unleserliche Nummer
Keilrahmen unten rechts: zwei Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts [einer von beiden halb abgelöst]
Keilrahmen unten rechts, blau: Berliner Schloß
Keilrahmen links unten, rautenförmiger Zollstempel: Zollamt Wien 104
Keilrahmen links Mitte, blau, eingekreist: 13
Keilrahmen links Mitte, Aufkleber documenta 3 mit Reg.-Nr., rot: 1024
Keilrahmen Mittelsteg links, Kreide: Paris 14 […]
Leinwandrückseite oben rechts: Zollstempel [unleserlich]

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 2.3.1955

Q2 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 2

Q3 Liste der Stiftungen der Deutschen Klassenlotterie Berlin an die Galerie des 20. Jahrhunderts, 8.3.1956, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0700-22-059.2

Q4 Brief Adolf Jannasch an die Galerie Grosshennig, 16.2.1955, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0200-05-165

Q5 Rechnung der Galerie Grosshennig, 15.3.1955, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0700-22-090.2

Q6 Gutachten, 2.3.1955, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0700-22-092-093

Q7 Angebot der Galerie Grosshennig, 28.7.1954, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0100-06-195.2 bis -195.4

Q8 Brief Galerie Grosshennig an Adolf Jannasch, 8.9.1954, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0100-06-194

Q9 Liste Platten – Kasten I, Galerie A–K, 25.7.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-040.1 bis -040.3, Nr. 16

Q10 Lieferschein der Spedition Knauer, November 1954, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0404-01-121 und -122

Q11 Liste von „51 Corinth-Bildern für Zürich“ aus dem Besitz von Fr. Corinth, abgeholt am 8.5.1933, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, I/NG 859, Bl. 87

Q12 Anforderungsschein der Spedition W. Marzillier & Co., Berlin-Schöneberg, Grunewald-Str. 14–15, 8.5.1933, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, I/NG 859, Bl. 88

Q13 Rückgabebestätigung Thomas Corinth, 30.8.1933, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, I/NG 861, Bl. 52 f.

Q14 Korrespondenz zwischen der Galerie des 20. Jahrhunderts und der Galerie Grosshennig, November 1954, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1361

Q15 Jubiläumsausstellung Kunst der Gegenwart, Ausst.-Kat. Galerie Arnold Dresden 1923 [Exemplar mit Annotationen], Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, NL Arnold/Gutbier, I,B-160

Q16 handschriftliche Preisliste [ohne Kontext], o. D., Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, NL Arnold/Gutbier, I,B-160

Q17 Postkarte und Brief Wilhelm Wartmann, Kunsthaus Zürich, an Charlotte Berend-Corinth, 6.3.1936 und 13.3.1936, mit Liste der Sendung Kunsthaus Zürich an Kunsthalle Basel, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Charlotte-Berend-Corinth-Archiv, Nr. 59

Q18 Werkliste mit Besitzvermerk „Mine“, [wohl um 1955], Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Charlotte-Berend-Corinth-Archiv, Nr. 93

Q19 Übergabeliste Werke Lovis Corinth an die Nationalgalerie, 20.6.1928, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Charlotte-Berend-Corinth-Archiv, Nr. 93, Werk-Nr. 25

Q20 Brief Wilhelm Grosshennig an Charlotte Berend-Corinth, 1.2.1956, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Charlotte-Berend-Corinth-Archiv, Nr. 100

Q21 Errata-Liste zum Werkverzeichnis, Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, NL Corinth, Lovis, II,B-669

Q22 Heike Marx, Das Wesen der Menschen im Porträt erfaßt, in: Donnersberger Rundschau, 11.4.1980, Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, NL Corinth, Lovis, II,A-17

Q23 Ernst L. Siebenborn, Die Zäsur, in: Allgemeine Wochenzeitung der Juden, 24.1.1969, Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, NL Corinth, Lovis, II,A-17

Q24 Kirchensteuerbescheid Charlotte Corinth, 9.11.1926, Finanzamt Hansa, Luisenstr. 33/34, Berlin, Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, NL Corinth, Lovis, II,A-20

Q25 Bescheinigung der Jüdischen Gemeinde Berlin, 4.4.1962, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin, Entschädigungsakte Charlotte Corinth, Reg. 376.270, Bl. M 12

Q26 Eidesstattliche Erklärung Charlotte Berend-Corinth, 29.5.1962, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin, Entschädigungsakte Charlotte Corinth, Reg. 376.270, Bl. E 4 ff.

Q27 Lebenslauf Charlotte Berend-Corinth, o. D., Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin, Entschädigungsakte Charlotte Corinth, Reg. 376.270, o. Bl.-Nr.

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 28

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 26

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 35

L4 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 51 f.

L5 Esther Tisa Francini, Anja Heuss und Georg Kreis, Fluchtgut – Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, Zürich 2001, S. 314–316

L6 Lovis Corinth. Ausstellung von Gemälden und Aquarellen zu seinem Gedächtnis, Ausst.-Kat. Nationalgalerie Berlin 1926, Nr. 361

L7 Charlotte Berend-Corinth und Hans Konrad Röthel, Die Gemälde von Lovis Corinth. Werkkatalog, München 1958, Nr. 894

L8 Lovis Corinth. Ausstellung von Gemälden, Aquarellen, Handzeichnungen und Graphik, Ausst.-Kat. Nassauischer Kunstverein, Neues Museum Wiesbaden 1926, Nr. 35

L9 Lovis Corinth 1858–1925, Ausst.-Kat. Kunsthalle Basel 1936, Nr. 56

L10 Charlotte Berend-Corinth (Hrsg.), Lovis Corinth. Selbstbiographie, Leipzig 1926

L11 Verein der Berliner Künstlerinnen (Hrsg.), Käthe, Paula und der ganze Rest. Künstlerinnenlexikon, Berlin 1992, S. 20

L12 Herbert A. Strauss und Werner Röder (Hrsg.), International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945, 3 Bde., München u. a. 1983, S. 82