Wann genau dieses Exemplar von Ernst Barlachs Skulptur „Der Buchleser“ gegossen wurde, ist schwer herauszufinden. Nach Angaben der Barlach-Nachlassverwaltung in einem Schreiben an Adolf Jannasch 1952 ^Q3 entstand der Guss 1936 nach einer Skizze vom 4. März 1922. Die Werkverzeichnisautorin Elisabeth Laur hingegen datiert die drei frühesten Exemplare auf die Jahre 1937 bis 1938.^L8 Die Ernst Barlach-Lizenzverwaltung (freundliche Mitteilung vom 20.9.2012) präzisiert die Gussabfolge dergestalt, dass – nach einem ersten Guss im Herbst 1937 – dem Tod Barlachs 1938 folgend weitere sieben Bronzegüsse durch den damaligen Geschäftsführer des Barlach-Gremiums, Bernhard A. Böhmer, in Auftrag gegeben wurden. 1942 entstand ein weiterer aus Zink. Danach wurde die Gussreihe erst wieder im Jahr 1956 aufgenommen.

Wenngleich eine exakte zeitliche Einordnung des Exemplars aus der Galerie des 20. Jahrhunderts nicht möglich ist, verweist die Gussmarke am Sockel „H. NOACK BERLIN FRIEDENAU“ auf eines der frühen Exemplare. Bei Noack gab Barlach selbst all seine Bronzewerke in Auftrag, doch die für den Nachlass verantwortlichen Erben und Verwalter ließen die posthumen Bronzen ebenfalls ausschließlich dort gießen. Zwischen 1927 und 1938 wurden fast 200 Barlach-Bronzeplastiken bei Noack im Auftrag des Künstlers fertiggestellt.^L9

Aufgrund der multiplen Werkidentität und fehlender weiterer Quellen aus dem Erwerbungskontext ist die Provenienz der Skulptur zwischen ihrem Guss (wohl um 1937/38) und ihrer Ausstellung bei der Berliner Galerie Franz im November 1948 ^L11 bislang nicht zu klären. Bei jener Präsentation in der Galerie Franz, von der die Galerie des 20. Jahrhunderts im März 1949 ihr Exemplar erwarb, handelte es sich um die erste Einzelausstellung nach dem Krieg, die in Berlin Barlachs Werk gewidmet wurde.^Q6

Recherche: HS | Text: CT

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 22.3.1949

Q2 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 3

Q3 Brief Barlach-Nachlassverwaltung an Adolf Jannasch, 25.7.1952, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0100-16-456

Q4 Ankaufsbestätigung Brief Adolf Jannasch an Galerie Franz, 23.3.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1445

Q5 Liste möglicher Neuerwerbungen zur Ersteinrichtung der Galerie des 20. Jahrhunderts West, ohne Datum [um 1948], DE BG Gal 02-0102-04-37.7

Q6 Albert Buesche, Der gramvolle Gott. Ernst-Barlach-Ausstellung bei Pels-Leusden. Undatierter Zeitungsartikel ohne Quellenangabe, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, V/Sammlung Künstler: Barlach, Ernst, 00178/35