Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Ernst Schütte (1890–1951)
Tulpen, 1919/20

Öl auf Leinwand
45 x 30,5 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1961 erworben durch das Land Berlin
Inventarwert: 400 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unbezeichnet

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 520
Inventar Land Berlin: 520
Weitere Nummern: 38/520

Foto: März, Roman
Provenienz
frühestens 1940 bis 1962 Sammlung Mykolas Zilinskas, Berlin Q1 Q5
1962 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, Schenkung von Mykolas Zilinskas Q1 Q3 Q4 Q5
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Ernst Heinrich Conrad Schüttes Ölgemälde „Tulpen“ kam 1962 aus der Sammlung Mykolas Zilinskas in die Galerie des 20. Jahrhunderts, als Teil einer Schenkung von vier Werken. 1967 schrieb Adolf Jannasch auf Bitte Zilinskas ein Gutachten: „Sie baten mich, in gutachterlicher Form über den Wert Ihrer Gemäldesammlung mich zu äußern. Ich kenne Ihre Sammlung schon seit Jahren und Sie waren auch so freundlich, dem Land Berlin 4 Gemälde, die keinen großen Wert darstellen, aber die dennoch selten sind, für die Galerie des 20. Jahrhunderts zu stiften: 1. ein Stilleben von Felix Müller / 2. eine Landschaft von Wildhagen / 3. ein Stilleben von dem Bühnenbildner und Maler Schütte / 4. von dem noch wenig bekannten Maler Sieloff eine Männerfigur.“Q5

Im selben Schreiben führt Janansch den Bestand von Zilinskas’ Gemäldesammlung in Einzelnennung auf – 186 Gemälde des 17. bis 20. Jahrhunderts, deren Gesamtwert er mit 10.460 DM beziffert. Dass Zilinskas’ mit seiner Sammlung mehr an Rarität als an Qualität gelegen war, hatte Jannasch bereits bei früheren Besichtigungen festgestellt. In seinem Sammler-Notizbuch findet sich der Eintrag: „Zilinskas, Dr. […?], Gneiststr 18 a / […?] Klinger, falscher Kandinsky (1939), […?] Corinth (Frau C. mit Maske), zweifelhafter Hofer (Papier auf Pappe), […?], A. v. Ostade (Isaak?) etc.“.Q6

Mykolas Zilinskas (1904–1992) war Grundbesitzer, Unternehmer und Kunstsammler. Er stiftete seine Sammlung (über 1.500 Kunstwerke) dem M.-K.-Čiurlionis-Nationalmuseum in Kaunas/Litauen, das 1989 eine nach ihm benannte Zweigstelle, die Mykolas-Zilinskas-Kunstgalerie, eröffnete. Zilinskas’ bewegte Biografie beginnt in seiner Heimat Litauen: 1925 bis 1932 studierte er Geschichte und Rechtswissenschaften an der Vytautas Magnus Universität und betätigte sich zugleich journalistisch. 1933 wurde er Presseleiter im litauischen Ministerium für Staatssicherheit, führte nebenbei einen Handel mit Pilzen und spekulierte erfolgreich an der Börse. Im Dezember 1940 floh Zilinskas vor der sowjetischen Okkupation nach Deutschland, verlor Mitglieder seiner Familie und Teile seines Vermögens, konnte aber durch Verkäufe von Goldsachen und Brillanten 1940 ein Ziegeleiwerk in Sonnenburg und ein Grundstück in Berlin-Grunewald erwerben. 1942/43 studierte er Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, übersiedelte 1945 nach Dänemark und verbrachte die Jahre 1946 bis 1948 mit weiteren Jurastudien an der Pariser Sorbonne. 1950 kehrte er nach West-Berlin zurück und begann eine höchst erfolgreiche Unternehmertätigkeit, die sich auf Immobilien, Aktien, Diamanten, Gold, Ziegel- und Parfümproduktion sowie Verkehrsdienstleistungen erstreckte. Seine Leidenschaft für Kunst war ebenso vielseitig: Er sammelte auf unterschiedlichsten Gebieten, von altägyptischer Kunst über flämische und italienische Renaissance bis zur europäischen Moderne.

Wann und von wem Zilinskas das Bild „Tulpen“ von Schütte erworben hat, ist unbekannt, jedoch sicher nicht vor seiner Emigration nach Deutschland 1940. Wahrscheinlicher ist, dass er es in den Jahren nach 1950 erwarb, als er sich dauerhaft in Berlin niederließ. Schütte – ein in Hannover geborener Maler, Zeichner, Illustrator, Architekt und Bühnenbildner – lebte bis 1951 in Berlin. 1925 durch Max Reinhardt entdeckt, hatte er am Deutschen Theater in Berlin und an den Reinhardt-Bühnen in Wien und Salzburg gearbeitet, zudem von 1945 bis 1951 die Klasse für Bühnenbildner an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin geleitet. 1920 war „Tulpen“ auf der Sommerausstellung der Freien Secession in Berlin zu sehen.L3

Die zusammen mit dem Schütte-Bild der Galerie des 20. Jahrhunderts von Zilinskas geschenkten Gemälde von Werner Sieloff, Fritz Wildhagen und Conrad Felixmüller verblieben 1968 bei der Senatsabteilung für Wissenschaft und Kunst; das Werk Felixmüllers (möglicherweise eine Fälschung) gelangte später in die Sammlung der Berlinischen Galerie.

Recherche: CT | Text: CT

Leinwandrückseite Mitte: Aufkleber mit Adresse des Künstlers
Keilrahmen rechts Mitte, Aufkleber der Freien Secession mit Nummer: 131/[unleserlich]
Keilrahmen rechts unten, Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts mit Beschriftung: Stiftung
Keilrahmen links unten, Bleistift: AN 388

Rückseite

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 16.10.1961

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 2 (Depot K)

Q3 Niederschrift über die Annahme einer Sachzuwendung, 1.11.1961, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II B/Galerie des 20. Jahrhunderts – Land Berlin 6, Bl. 131

Q4 Spendenquittung, 9.10.1962, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0800-01-032.1

Q5 Schätzung der Sammlung Zilinskas, Gutachten zur Vorlage beim Finanzamt Wilmersdorf, Schreiben Adolf Jannasch an Mykolas Zilinskas, 13.2.1967, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II B/Galerie des 20. Jahrhunderts – Land Berlin 4, Bl. 438

Q6 Sammler-Notizbuch Adolf Jannasch, Privatbesitz

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 208

L2 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 190

L3 Freie Secession e. V., Sommerausstellung April bis Juli 1920, Ausst.-Kat. Berlin 1920, Nr. 196 (ohne Besitzerangabe; als verkäuflich gekennzeichnet)