Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


zurück

Heinrich Mathias Ernst Campendonk (1889–1957)
Hirtin, um 1919

Öl auf Leinwand
48,5 x 75 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1963 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 25.000 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unbezeichnet

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 596
Inventar Land Berlin: 596
Weitere Nummern: 46/596

Werkverzeichnis-Nummer
Firmenich WV 776

Foto: Anders, Jörg P. / © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Provenienz
1919 Herwarth Walden, Galerie Der Sturm, Berlin Q5 L3
1919 bis 1963 Franz Moufang, Heidelberg Q1 Q4
1963 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben aus Mitteln der Deutschen Klassenlotterie von Franz Moufang Q1
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Als Adolf Jannasch 1962 den Finanzierungsantrag zur Erwerbung von Heinrich Campendonks „Hirtin“ einreichte, warb er für das Gemälde: „Jetzt bietet sich aus einer alten Heidelberger Privatsammlung, die schon in den 20er-Jahren angelegt wurde, die Gelegenheit, ein charakteristisches und farbig eindrucksvolles Hauptwerk von Campendonck zu einem günstigen Preis von DM 25.000,- zu erwerben. […] Es stammt aus altem, einwandfreien Privatbesitz.“Q3

Wer sich hinter diesem Heidelberger Privatbesitz verbarg, offenbart die Korrespondenz, die Jannasch anlässlich des Ankaufs mit dem Vorbesitzer führte: Franz Moufang teilte ihm mit, die zur Debatte stehende „Hirtin“ 1919 in Herwarth Waldens Berliner Galerie Der Sturm erworben zu haben.Q5 Der Künstler selbst dürfte seinerzeit den Galeristen, dem er freundschaftlich und geschäftlich verbunden war, mit dem Verkauf des Bildes betraut haben. Schon 1913 hatte Campendonk am „Ersten Deutschen Herbstsalon“ in der Galerie Der Sturm teilgenommen und Walden spätestens seitdem persönlich gekannt.

Der Jurist Franz Moufang (1893–1984) war einer der fünf Söhne des Heidelberger Rechtsanwalts Wilhelm Moufang und seiner Ehefrau Julie (geb. Stutzmann). Wie er selbst war auch sein Bruder Nicola Moufang (1886–1967) Kunstsammler mit einer besonderen Leidenschaft für die klassische Moderne. Aus dessen Sammlung erwarb Jannasch 1959 für die Galerie des 20. Jahrhunderts einen „Frauenkopf“ von Alexej von Jawlensky (Inv.-Nr. 439). Franz Moufang arbeitete nach Abschluss seines Jurastudiums 1923 als Syndikus der Deutschen Werkstätten Hellerau und anschließend bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs als niedergelassener Rechtsanwalt in der väterlichen Kanzlei. 1939 wurde er zum Wehrdienst einberufen, den er bis 1943 unter Generalfeldmarschall Erwin Rommel im Afrikafeldzug ableistete. Bis Kriegsende war er anschließend an der Ostfront eingesetzt. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt 1945 wurde er als Verkehrsreferent in die baden-württembergische Landesregierung berufen und betätigte sich bis Ende des Jahres in diesem Amt auch als Treuhänder für das ehemalige deutsche Reichsvermögen in der amerikanischen Besatzungszone. Anschließend wurde er als Jurist der Stadt Heidelberg verbeamtet, zum hauptamtlichen Stadtrat und Leiter des Kulturreferats der Stadt Heidelberg sowie 1951 zum Leiter des Friedensgerichts benannt.Q5 Q7 L3 L5


Recherche: HS | Text: HS

Keilrahmen oben links, abgerissene Transportmarke mit Textfragmenten: Von / […]en Hbf. 3 / 21 / Dachau […] über […]
Keilrahmen oben links: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts
Keilrahmen oben Mitte links: abgerissener Aufkleber
Keilrahmen oben rechts, Kreide, blau: 66 c [?]
Keilrahmen unten rechts, Kreide, blau: [unleserlich] 12

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 5.2.1963

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 2 (Depot I)

Q3 Finanzierungsantrag Adolf Jannasch, 14.12.1962, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0700-10-011.1.6

Q4 Gutachten Adolf Jannasch für das Kurpfälzische Museum Heidelberg, 18.9.1962, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal03-0302-01-058.1 bis -058.6

Q5 Korrespondenz zwischen Adolf Jannasch und Franz Moufang, 1962/63, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 03-0406-01-029 ff.

Q6 Sammler-Notizbuch Adolf Jannasch, Privatbesitz

Q7 Heide Seele, Die Stadt verdankt ihm viel. Zum Tode des einstigen Kulturreferenten Franz Moufang, in: Rhein-Neckar-Zeitung, 15.6.1983, Stadtarchiv Heidelberg, ZGS 2 /155

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 30

L2 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 47

L3 Kunst des 20. Jahrhunderts aus Heidelberger Privatbesitz, Ausst.-Kat. Kunstverein Heidelberg 1962, Nr. 25, Abb. 17

L4 Andrea Firmenich, Heinrich Campendonk 1889–1957. Leben und expressionistisches Werk mit Werkkatalog des malerischen Œuvres, Recklinghausen 1989, Nr. 776

L5 Hanna Grisebach, Die Sammlung Dr. Franz Moufang in Heidelberg, in: Das Kunstwerk, 5/6, 11, 1957, S. 43–53