Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Wassily Kandinsky (1866–1944)
Hornform, 1924

Öl auf Pappe
57,5 x 49,5 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1953 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 13.500 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten links: K 24

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 90
Inventar Land Berlin: 90
Weitere Nummern: 17/5

Werkverzeichnis-Nummer
Roethel/Benjamin WV 718

Foto: Anders, Jörg P. / CC BY-NC-SA
Provenienz
Juni 1924 bis 1944 im Besitz des Künstlers Q7
bis Dezember 1944 Galerie L’Esquisse, Paris, in Kommission Q7 L7
Dr. Cil [?], Paris Q7 L7
bis 1953 Privatbesitz Schweiz Q6
1953 Kunstkabinett Asta von Friedrichs, Berlin Q1 Q5
1953 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben beim Kunstkabinett Asta von Friedrichs Q1 Q5
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
„Vor kurzem gelang es mir, für die ‚Galerie des 20. Jahrhunderts‘, die ich langsam und mühselig für Berlin aufbaue, einen schönen Kandinsky aus dem Jahre 1924 ‚Hornform‘ aus Schweizer Privatbesitz zu erwerben“, schrieb Adolf Jannasch im September 1954 an Nina Kandinsky, die Witwe des Künstlers. Er berichtete ihr, dass er das Gemälde auf der sehr erfolgreichen Kandinsky-Ausstellung in Berlin als Neuerwerbung präsentiert habe.Q6

Wassily Kandinskys kleines Gemälde „Hornform“ entstand in der produktiven Phase seiner Tätigkeit am Weimarer Bauhaus, im Jahr der Gründung der Künstlergruppe Die Blaue Vier (mit Paul Klee, Lyonel Feininger und Alexej von Jawlensky). Um 1932 geriet Kandinsky in Platznot: „Ich werde wohl bald gezwungen sein, mir einen Lagerraum zu mieten“, schrieb er am 9. Oktober 1932 an Will Grohmann (zit. n.: Peter Hahn, Wassily Kandinsky. Russische Zeit und Bauhausjahre 1915–1933, Berlin 1984, S. 69). Mit Schließung des Bauhauses 1933 emigrierte er mit seiner Frau Nina nach Neuilly-sur-Seine bei Paris, wo er bis zu seinem Tod 1944 im Exil lebte. „Hornform“ war seit 1924 auf zahlreichen Ausstellungen unterwegs – in Dresden, Wiesbaden, Barmen, Bochum, Düsseldorf und Braunschweig oder 1926 auf der Jubiläumsausstellung zu Kandinskys 60. Geburtstag in der Galerie Neumann-Nierendorf in Berlin.L5 L7 Es wurde jedoch nicht verkauft und verblieb bis 1944 im Besitz des Künstlers. In jenem Jahr zeigte es die von Noëlle Lecouture und Maurice Panier geleitete Galerie L’Esquisse in Paris auf der letzten Ausstellung Kandinskys zu seinen Lebzeiten.

Dass Noëlle Lecouture das Bild übernahm, geht aus dem Eintrag im „Hauskatalog“ hervor, in dem Nina Kandinsky die Werke ihres Mannes und deren Wege dokumentierte.Q7 Hier ist als weiterer Vorbesitzer auch ein „Dr. Cil“ vermerkt, zu dessen Identität nichts weiter bekannt ist. Auch der Schweizer Privatbesitz, aus dem die Berliner Kunsthändlerin Asta von Friedrichs das Bild laut Jannaschs Brief an Nina Kandinsky übernommen hatte,Q6 ist bislang nicht zuzuordnen.

Das Kunstkabinett Asta von Friedrichs in Berlin, obgleich wenigen bekannt, spielte eine nicht geringe Rolle beim Aufbau der Galerie des 20. Jahrhunderts: Neun hochkarätige Gemälde der klassischen Moderne gelangten über von Friedrichs in die Sammlung, darunter auch Werke von Maurice Utrillo, Edvard Munch, Paula Modersohn-Becker und Max Beckmann. Bereits 1949, gleich nach Neugründung der Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin, hatte von Friedrichs Adolf Jannasch erstmals diverse Bilder zum Kauf angeboten (vgl. Landesarchiv Berlin, B Rep. 014 Nr. 1732). In den nächsten Jahren trat von Friedrichs oft als Ankaufsvermittlerin gegenüber Jannasch auf, besaß die Bilder also vorher nicht unbedingt selbst. Sie führte ihr Kunstkabinett – das ohne Ausstellungsraum auskam – seit mindestens 1948 von ihrer Privatwohnung in der Charlottenburger Nußbaumallee, in der auch Adolf Jannasch lebte. Von Friedrichs’ Vorgeschichte ist verknüpft mit der Kunst- und Verlagsanstalt der Vettern Cassirer. Von etwa 1930 bis 1937 arbeitete sie – damals den Namen Asta Smith tragend – als Verlagsangestellte bei Bruno Cassirer, der auch Ausstellungen moderner Kunst veranstaltete (vgl. Asta Smith, Von der Verlagsarbeit Bruno Cassirers, in: Vom Beruf des Verlegers. Eine Festschrift zum sechzigsten Geburtstag von Bruno Cassirer, Berlin 1932, S. 99). Aus jener Zeit stammten ihre Kontakte zu Kunstsammlern und ihr kunsthändlerisches Grundwissen.

Recherche: CT | Text: CT

Bildrückseite: K / No. 275 / 1924 / Hornform / 49,5 x 57,5 cm / 25 [eingekreist, durchgestrichen] / 45 [eingekreist] / [Aufkleber mit Stempelnummer:] 432
Außenrahmen oben links: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts
Außenrahmen rechts Mitte, handschriftliche Bezifferung, schwarz: (72)

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 8.12.1953

Q2 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 2

Q3 Liste Platten – Kasten I, Galerie A–K, 25.7.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-040.1 bis -040.3, Nr. 39

Q4 Ankaufsbewilligung, Sitzungsprotokoll der Ankaufskommission, 8.12.53, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1360

Q5 Korrespondenz zwischen der Galerie des 20. Jahrhunderts und Asta von Friedrichs, Zoll-Einfuhrbescheinigung [15.12.1953], Überweisungsbestätigung, Zahlungsmodalitäten, Dezember 1953, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1361

Q6 Brief Adolf Jannasch an Nina Kandinsky, Neuilly-sur-Seine, 7.9.1954, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014 Nr. 1746

Q7 Wassily Kandinskys „Hauskatalog“, Nr. 275, Original im Kandinsky-Archiv, Centre Georges Pompidou, Paris, freundliche Auskunft von Vivian Barnett, 11.1.2012

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 94

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 100

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 119

L4 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 104

L5 Kandinsky. Jubiläums-Ausstellung zum 60. Geburtstage, Ausst.-Kat. Galerie Neumann-Nierendorf Berlin 1926, S. 20, Nr. 25 („Hornform, 57/49, 1924“, ohne Besitzerangabe)

L6 Weltkunst, Jg. 24, Nr. 3, Februar 1954, S. 12 (Mitteilung über den Erwerb durch die Galerie des 20. Jahrhunderts, mit Abb.)

L7 Hans K. Roethel und Jean K. Benjamin, Kandinsky. Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. 2: 1916–1944, München 1984, Nr. 718, S. 673