Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Georg Muche (1895–1987)
Sommer, 1916

Öl auf Leinwand
44 x 63 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1951 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 350 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unbezeichnet

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 49/30
Hauptverzeichnis Senat: 49/30

Werkverzeichnis-Nummer
Droste WV M24

Foto: Anders, Jörg P. / © Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Berlin 2016
Provenienz
wohl 1919 Galerie Der Sturm, Berlin L6
1951 Werner Kampmann, Berlin / Schliephacke [?] Q4 L5
1951 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben von Werner Kampmann oder Schliephacke Q5 Q4 L5
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Georg Muches Ölgemälde „Sommer“ wurde am 14. Dezember 1951 erworben aus dem Etat, den der Senat für „Werke lebender Künstler“ bereitstellte.Q3 Deshalb erhielt das Bild keinen Eintrag in das Galerie-Inventar, sondern in das Hauptverzeichnis für senatseigene Kunstwerke.Q5 Im museumseigenen Dokumentationssystem der Nationalgalerie ist für den Ankauf „1951 von Werner Kampmann“ vermerkt – jedoch ohne Nennung einer Quelle. Im Muche-Werkverzeichnis kam Magdalena Droste zu anderen Rechercheergebnissen: Dort ist für das Gemälde festgehalten: „erworben 1951 von Schliephacke“.L5 Q4 Da der zugehörige Vorname fehlt und auch hier keine Rekonstruktion der Quellen mehr möglich ist, bleibt diese Angabe aber ebenso ohne Beleg. Es ist durchaus im Rahmen des Möglichen, dass beide Namen bei der Erwerbung für die Senatskunstsammlung eine Rolle spielten – etwa als Besitzer oder Vermittler.

Zuvor in den meisten Quellen auf 1920 datiert, ist dem Gemälde seit 1980 das Entstehungsjahr 1916 zugeordnet.L5 Diese Änderung stützt sich zum einen auf stilistische Vergleiche, zum anderen auf die Tatsache, dass Muche 1919 in der Galerie Der Sturm, in der er im September gemeinsam mit Hans Sittig ausstellte, drei Bilder mit dem Wort „Sommer“ im Titel zeigte: „Sommer / Bild I“ (Nr. 13), „Sommer / Bild II“ (Nr. 17) und „Heißer Sommer“ (Nr. 20).L6 Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei unserem Gemälde um eines der hier ausgestellten handelte; aufgrund der Namensgleichheit und fehlender Maßangaben im Ausstellungskatalog kann jedoch keine verbindliche Aussage getroffen werden. Weder in den in der Staatsbibliothek zu Berlin erhaltenen Akten aus dem Teilnachlass von Georg Muche oder dem Sturm-Archiv noch im Muche-Nachlass des Bauhaus-Archivs Berlin ließen sich weitere Belege finden.

Georg Muche, der 1914 nach Berlin gekommen war, war dem Sturm eng verbunden. Herwarth Walden vertrat ihn in seiner gleichnamigen Galerie, und von 1919 bis zu Muches Berufung an das Bauhaus in Weimar 1920 existierte ein Exklusivvertrag, der dem Kunsthändler die Lieferung von einem Bild pro Monat zusicherte. Muche war auf fast allen Kollektivausstellungen des Sturm vertreten, hinzu kamen Einzelausstellungen im Januar 1916 (37. Sturm-Ausstellung), im März 1917 (50. Sturm-Ausstellung) und – wie oben genannt – im September 1919 (mit Hans Sittig, 78. Sturm-Ausstellung). Darüber hinaus arbeiteten sowohl Muche als auch seine Verlobte Sophie van Leer zeitweise für Walden.

In den Gästebüchern der Galerie Der Sturm, die im Sturm-Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin erhalten sind,Q7 trug sich als Besucher der Muche-Ausstellung 1916 ein Otto Schliephacke ein, während 1919 ein A. Kampmann und ein W. Kampmann als Besucher der Muche-Ausstellung verzeichnet sind. Trotz dieser Indizien ließ sich bis heute keine Verbindung zu jenem Werner Kampmann herstellen, der vermutlich das Bild „Sommer“ 1951 an den Senat verkaufte. Seine Identität bleibt ungeklärt. Sicher ist, dass es sich um keinen Verwandten des Künstlers Walter Kampmann oder seines Sohnes Winnetou Kampmann handelt. Eine Beziehung zu dem Graphiker Alexander Kampmann (der mit dem als „A. Kampmann“ im Sturm-Gästebuch Eingetragenen identisch sein könnte und der im Kontext der Galerie des 20. Jahrhunderts als Verkäufer zweier Bilder Max Slevogts in Erscheinung trat) ist zu erwägen, jedoch ebenfalls bislang nicht belegbar. Ein weiterer interessanter, aber in seiner Bedeutung unklarer Aspekt ist, dass sich im Haus Kurfürstendamm 51, das als Wohnadresse Kampmanns 1951 angegeben wird, im selben Jahr oder kurz darauf auch die Räume der Galerie Walter Schüler befanden.

Sollte es sich bei dem Vorbesitzer W. Kampmann um jenen Kunstliebhaber handeln, der sich 1919 in Waldens Gästebuch eintrug, so liegt die Vermutung nahe, dass er „Sommer“ aus der damaligen Sturm-Ausstellung erwarb und bis 1951 behielt.

Recherche: CT | Text: CT

Keilrahmen oben links, Aufkleber Senat, Amt Bildende Kunst und Museen, mit Inv.-Nr.: 49/30
Keilrahmen oben links, handschriftlich, blau: 98
Keilrahmen oben links, auf dem Keil, Reste eines Aufklebers: Habe […] [wohl aus den 1910er-/20er-Jahren, evtl. Kunstmaterialhandlung?]
Keilrahmen unten Mitte, handschriftlich, Bleistift, kopfstehend: Wetsch 10. B 2 Nollen [vermutlich]; darüber, Kreide, weiß: 1950

Q1 Nachtrag zur Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen], 13.9.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q2 Foto in der Bildakte der Staatlichen Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie [rückseitig beschriftet: „Muche 400,- (350,-?)“]

Q3 Liste der von der Galerie des 20. Jahrhunderts übernommenen und dort befindlichen Werke aus HUA B 3000/303 (Werke lebender Künstler), 1.4.1959, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0300-00-001

Q4 unverzeichnetes einseitiges Dokument im Bauhaus-Archiv, Berlin [Unterlagen Georg Muche]: Kopie aus dem Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968 [mit handschriftlichen Notizen: „1916?“ (als Entstehungsjahr, statt 1920) und „von Schliephacke“ (als Ergänzung zur Erwerbung)]

Q5 Hauptverzeichnis für Kunstwerke B 3000/303, Senator für Volksbildung, Berlin, Referat Bildende Kunst [Inventar 1949–1958], Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0300-00-001, 49/30, lfd. Nr. 326 [mit Erwerbsnotiz: „W. Kampmann, Berlin W 35, Kurfürstendamm 51“]

Q6 Karteikarte Senat, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin

Q7 Gästebücher, Galerie Der Sturm, Sturm-Archiv, Staatsbibliothek zu Berlin

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 130

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 142

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 167

L4 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 151

L5 Magdalena Droste u. a. (Hrsg.), Georg Muche. Das künstlerische Werk 1912–1927. Kritisches Werkverzeichnis der Gemälde, Zeichnungen, Fotos und architektonischen Arbeiten, Ausst.-Kat. Bauhaus-Archiv Berlin 1980, Nr. M 24 („erworben 1951 von Schliephacke“)

L6 Georg Muche, Hans Sittig. Gemälde, Bildwerke, Aquarelle, Zeichnungen, Ausst.-Kat. Galerie Der Sturm Berlin, 78. Ausstellung, Berlin 1919, Nr. 13 („Sommer / Bild I“), Nr. 17 („Sommer / Bild II“), „Heißer Sommer“ (Nr. 20)