Bei der Provenienzforschung zu Werken Willi Baumeisters aus dieser Schaffensphase ist Vorsicht im Hinblick auf die Werkidentität geboten, da sich die Arbeiten in den Darstellungen sowie Titeln teilweise stark ähneln. Das für die Galerie des 20. Jahrhunderts erworbene Bild ist eine von zwei fast identischen Fassungen gleichen Formats aus dem Jahr 1920. Es ist im Werkverzeichnis unter der Nummer 213 erfasst und heißt „Zwei Figuren mit Blau und Rosa“.^L10 Die andere Version, die sich heute in einer Privatsammlung in Bremen befindet, trägt den Titel „Zwei Figuren mit Rosa und Blau“ (Nr. 212).^L10 Die Farbgebung beider Werke unterscheidet sich nicht.

Willi Baumeister führte, soweit es ihm möglich war, Buch über die Sammler und Besitzer seiner Werke. Dazu legte er zuletzt 1950 ein Ringbuch mit Adressen und Vermerken zu Bildern an.^Q5 Hierin finden sich auch Hinweise auf das Bild aus der Galerie des 20. Jahrhunderts, wie diese Notiz unter dem Buchstaben B: „Berlin Museum, neu eingerichtet 1953 / Direktor Jannasch Charl. Schloss / Das Museum hat diese drei Bilder von unbekannt gekauft, laut Fotos, die mir geschickt wurden: / 1 Kleines konstruktivistisches Figuren-Bild ca 1920 / 2 ‚peruanische Mauer‘ farbig vermutlich 1948 / 3 Schwebende Formen auf grau? mit Horizont. Rechts negative Formen vermutl. in Olive“. Unter S findet sich weiterhin der Eintrag: „‚der Sturm‘ Kunsthandlung Berlin / verschiedene konstr. Bilder 1920–22 / verkauft an unbekannt (einiges bei Galerie Buchholz Berlin) […] Ein kl. Bild später bei Graf Kilmansegg (gest.)“.

Ein Katalog der Sturm-Ausstellung sowie ein gut erhaltener rückseitiger Aufkleber belegen, dass das Mauerbild „Zwei Figuren mit Blau und Rosa“ 1922 in der Berliner Galerie Der Sturm ausgestellt war.^L6 Der Kunsthändler Herwarth Walden pflegte den Kontakt zum Künstler: 1913 und 1919 trug sich Baumeister im Gästebuch der Sturm-Galerie ein (vgl. Sturm-Archiv, Staatsbibliothek zu Berlin), im September 1921 war er mit einem (anderen) Mauerbild auf einer Sturm-Ausstellung vertreten, und 1924 zeigte Walden sein Werk in der Ausstellung „Der Sturm“ im Kunstverein Jena. Die oben zitierte Notiz in Baumeisters Sammlerverzeichnis lässt annehmen, dass unser Bild nach der Ausstellung 1922 in der Galerie Der Sturm verblieb und direkt von dort verkauft wurde, ohne an Baumeister zurückzugehen. Ungeklärt bleibt jedoch, wer das Werk zu jenem Zeitpunkt erwarb. Der erwähnte Graf Kielmansegg scheidet als möglicher Käufer aus. Er besaß zwar mindestens dreißig Werke bekannter konstruktivistischer Künstler, darunter ein anderes Mauerbild Baumeisters namens „Figur (rosa-braun)“, aber unser Gemälde gehörte nicht dazu (vgl. Akten zum Depositum der Gräfin von Kielmansegg 1937 in der Kunsthalle Basel, Staatsarchiv Basel, PA 888 H2.3 [2] 2). Auch im Besitz anderer bekannter Sammler und Förderer Baumeisters in den 1920er-Jahren, etwa Theodor und Margrit Durrieu, Hermann Lange oder Alfred Flechtheim, konnte das Bild bisher nicht identifiziert werden noch lässt es sich im Bestand der von Baumeister genannten Galerie Buchholz nachweisen.

Dem Eintrag im Inventarbuch zufolge kam Baumeisters „Zwei Figuren mit Blau und Rosa“ 1950 als „Stiftung eines unbekannten Spenders“ in die Galerie des 20. Jahrhunderts.^Q1 Trotz intensiver Recherchen konnten die Akten über dessen Identität bis heute keinen weiteren Aufschluss geben, und weder die mit dem Werk ihres Vaters bestens vertraute Tochter des Künstlers noch die Mitarbeiter des Stuttgarter Bauhaus-Archivs vermochten weiterzuhelfen (freundliche Auskünfte von Felicitas Baumeister, 8.12.2012, und Hadwig Goez-Sturm, Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, November 2012 und Januar 2013). 1954 wurde dem Bild im Inventar ein (niedrig angesetzter) Schätzwert von 400 DM zugeordnet.

Recherche: CT | Text: CT

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 12.9.1950

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 3 (Depot Q)

Q3 Liste Platten – Kasten I, Galerie A–K, 25.7.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-040.1 bis -040.3, Nr. 2

Q4 Fotografie: Wand mit Mauerbildern [darunter „Zwei Figuren mit Blau und Rosa“] in Willi Baumeisters Atelier, Untere Anlagen, Stuttgart, 1921, Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, Abb. unter www.willi-baumeister.org [letzter Zugang 25.1.2016]

Q5 Sammlerverzeichnis mit Werkkatalog, angelegt von Willi Baumeister um 1950, Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, SK XVI