Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


zurück

Oskar Schlemmer (1888–1943)
Akt, Frau und Kommender, 1925

Öl auf Leinwand
128 x 64,2 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1956 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 20.000 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Nude, Woman, and Approaching Figure

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unbezeichnet

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 149
Inventar Land Berlin: 149
Weitere Nummern: 21/15

Werkverzeichnis-Nummer
Maur WV G138

Foto: Anders, Jörg P. / CC BY-NC-SA
Provenienz
bis 1929 Kunsthaus Schaller, Stuttgart (Aufkleber)
1929 bis 1956 Richard Merz, Stuttgart, Q9 L5 erworben beim Kunsthaus Schaller Q10
1956 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben von Richard Merz Q1 Q3 Q5
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Die Rückseite dieses Gemäldes von Oskar Schlemmer ist für Kunsthistoriker und Provenienzforscher gleichermaßen interessant (Rückseite). Auf der Leinwand findet sich eine lockere Aktskizze in Öl, die die strenge vorderseitige Komposition von „Akt, Frau und Kommender“ um eine Komponente erweitert. Auf Außen- und Keilrahmen hat sich zudem eine Anzahl von Aufklebern erhalten, die Einblicke in verschiedene Stationen des Bildes seit seiner Entstehung 1925 geben. Prominent sind Etiketten von Ausstellungen, auf denen das Werk in den 1950er-Jahren zu sehen war: in der Kestner-Gesellschaft Hannover 1953, auf der Biennale in Venedig 1954 oder im Stedelijk Museum Amsterdam 1954/55 beispielsweise. Ein Ausstellungsaufkleber aus dem Württembergischen Kunstverein in Stuttgart verzeichnet die Katalognummer 51, einen Versicherungswert von 10.000 DM und den Besitzer: „Dr. med. R. Merz-Haase, Stuttgart, Wilhelm Busch Weg 7 (Staatsgalerie)“. Der älteste Aufkleber auf dem Rahmen stammt vom Kunsthaus Schaller, einer Galerie in der Stuttgarter Marienstraße 14, wo „Akt, Frau und Kommender“ 1929 ausgestellt war (Kat.-Nr. 126).

Schlemmer hatte im Juni 1918 erstmals im Kunsthaus Schaller ausgestellt, gemeinsam mit Willi Baumeister. Die Schlemmer-Ausstellung von 1929 – dem Jahr, in dem der Künstler vom Bauhaus Dessau an die Akademie in Breslau wechselte – wurde, nachdem sie im Februar in den Schallerschen Galerieräumen zu sehen gewesen war, in der Kunsthalle Basel gezeigt. Auf den im Schlemmer-Archiv erhaltenen Listen der ausgestellten und zu transportierenden Werke vom 24. Februar 1929 (Schaller) und vom 27. März 1929 (Basel) ist „Dr. Merz, Stuttgart“ handschriftlich in roter Tinte als Käufer vermerkt, dazu der Ankaufspreis von 1.500 M.Q10 Dr. Richard Merz kaufte im selben Jahr auch Schlemmers Werk „Drei Figuren mit Möbelformen“ (heute Harvard Art Museums, Cambridge, USA) bei Schaller. „Akt Frau und Kommender“ verblieb durchgehend bis 1956 in Merz’ Besitz.

Dr. Dr. Richard Merz (1898–1990) war Zahnarzt in Stuttgart und engagierte sich in der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg. Die Familie Oskar Schlemmers gehörte zu seiner langjährigen Stammkundschaft. Merz hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg gemeinsam mit seiner Frau Ingeborg ein großzügiges, modernes Einfamilienhaus im Wilhelm-Busch-Weg 7 bauen lassen. Dort präsentierte er die kleine Sammlung moderner Kunst, die er seit den 1920er-Jahren zusammentrug. Sein besonderes Interesse galt der Stuttgarter Avantgarde: Von Schlemmer besaß er mindestens zwei Ölbilder, von Baumeister mehrere (frühe) Gemälde (vgl. Sammlerverzeichnis Baumeisters, Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, SK XVI). Ein undatierter Vermerk in Baumeisters Sammlerverzeichnis – „Dr. R. Merz: verschiedene gegenständliche Bilder verbrannten bei ihm“ – lässt darauf schließen, dass Teile von Merz’ Sammlung bei einem Hausbrand verloren gingen, vermutlich kriegsbedingt in den 1940er-Jahren.

Recherche: CT | Text: CT

auf der Leinwandrückseite Ölskizze eines Aktes, darauf Bezeichnung und Signatur: akt, frau und kommender / Juni 25 Weimar / Osk Schlemmer
Außenrahmen oben, von links nach rechts (teils verdeckt): Aufkleber mit Nr. KV 51/117 [Kunstverein]; Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts mit Inv.-Nr. 21/15; Ausstellungsaufkleber Montreal Museum of Fine Arts [1967]; Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts; Ausstellungsaufkleber XXVII. Biennale di Venezia 1954 mit Nr. 212
Keilrahmen oben, von links nach rechts: Ausstellungsaufkleber Württembergischer Kunstverein mit Besitzerangabe: Dr. med. R. Merz-Haase, Stuttgart, Wilhelm Busch Weg 7 (Staatsgalerie); Kat.-Nr. 51 und Versicherungswert 10.000 DM; Ausstellungsaufkleber XXVII. Biennale di Venezia 1954 mit Nr. 212 und 9.; unidentifizierter Werkaufkleber; Ausstellungsaufkleber XXVII. Biennale di Venezia 1954 mit Besitzangabe: Privatbesitz
Keilrahmen rechts oben, handschriftlich, blau: 7; 3/2
Keilrahmen unten links, kopfstehend: Ausstellungsaufkleber Stedelijk, Amsterdam, mit Kat.-Nr. 8 [1954/55]
Keilrahmen unten Mitte, Stempel, rot: Oskar Schlemmer
Keilrahmen links, von oben nach unten: Ausstellungsaufkleber Nationalgalerie, Tendenzen der Zwanziger Jahre 1977; Aufkleber: Merci Visitate, Dogana Italiana / ed / 5085 [blau ausgekreuzt]; Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts; Aufkleber Kunsthaus Schaller, Marienstrasse 14, Stuttgart mit Nr. 126; Ausstellungsaufkleber Kestner-Gesellschaft Hannover 1953 mit Kat.-Nr. 17
mehrere Spuren abgerissener Aufkleber und handschriftliche Bleistiftbezeichnungen auf dem Keilrahmen [unleserlich]

Rückseite
Foto: Kilger, Andres
Rückseite
Foto: Kilger, Andres
Rückseite
Foto: Kilger, Andres
Rückseite
Foto: Kilger, Andres

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 16.5.1956

Q2 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 2

Q3 Schreiben Aenne Abels an Adolf Jannasch, 8.2.1956, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II B/Galerie des 20. Jahrhunderts – Land Berlin 7, Bl. 84 [Preisverhandlung mit Besitzer]

Q4 Liste Platten – Kasten IV, Galerie S–Z, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Ordner B: Vereinigte Kunstsammlungen

Q5 Rechnung von Dr. Dr. med. Richard Merz, Stuttgart, an die Galerie des 20. Jahrhunderts, 28.5.1956, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0200-07-270 [und Vorlaufkorrespondenz zwischen Richard Merz und Adolf Jannasch sowie Transportbelege]

Q6 Zahlungsanweisung und Freigabeantrag Adolf Jannasch an Vbildg IC 3 (Senatsabteilung Volksbildung), 12.7.1956, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0200-02-035 und -039

Q7 Korrespondenz zwischen Aenne Abels und Adolf Jannasch wegen Verhandlungen mit Richard Merz, DE BG Gal 03-0100-01-005 ff.

Q8 Liste Platten – Kasten I, Galerie A–K, 25.7.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-040.1 bis -040.3, Nr. 67

Q9 Leihverkehr, Akten zur Ausstellung „Maler am Bauhaus“, 1951, Berlin [zuvor München und Düsseldorf], Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1747 [Dr. Merz, Stuttgart, als Leihgeber von „1 Bild Schlemmer“]

Q10 Schlemmerarchiv, Kunstarchive der Staatsgalerie Stuttgart, Exponatelisten zur Schlemmer-Ausstellung im Kunsthaus Schaller, Februar 1929, und in der Kunsthalle Basel, März 1929, Kasten 14, Bl. 5 a, 7 a, 7 b, 8 [Material ursprünglich aus Galeriearchiv Schaller], „Dr. Merz, Stuttgart“ als Käufer vermerkt

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 154

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 168

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 196

L4 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 184

L5 Karin von Maur, Oskar Schlemmer: Œuvrekatalog der Gemälde, Aquarelle, Pastelle und Plastiken, München 1979, Nr. G 138

L6 27. Biennale di Venezia, Ausst.-Kat. 1954, Nr. 64, S. 307 (Schlemmer: „Nudo, donna e qualcuno che arriva [1925]. Stoccarda, coll. Privata.“]

L7 Die Maler am Bauhaus, Ausst.-Kat. Haus der Kunst München (2. Station Schloss Charlottenburg Berlin), München 1950, Nr. 224 (keine Angaben zu Besitzer beim Werk, aber „Herr Dr. Dr. Richard Merz, Stuttgart“ als Leihgeber auf S. 49 aufgezählt)