Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Willy Jaeckel (1888–1944)
Liegender Akt, um 1928/29

Öl auf Leinwand
54 x 66,5 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1959 erworben durch das Land Berlin
Inventarwert: 500 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten Mitte rechts: W. Jaeckel

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 422
Inventar Land Berlin: 422
Weitere Nummern: 33/422

Werkverzeichnis-Nummer
Klein WV 268

Foto: CC BY-NC-SA
Provenienz
1929 Galerie Victor Hartberg, Berlin L5
wohl 1929 bis 1959 Max Seidel, Berlin Q4
1959 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, Schenkung von Max Seidel Q1 Q3
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Im September 1959 schenkte Max Seidel der Galerie des 20. Jahrhunderts vier Werke aus seiner Kunstsammlung, die er den Direktor selbst aussuchen ließ: „Herr Max Seidel, Berlin W 15, Kurfürstendamm 48/49 hat der Galerie aus seiner Sammlung vier Bilder, die durch den Unterzeichnenden [Adolf Jannasch] ausgewählt werden konnten, gestiftet“.Q5 Jannasch entschied sich neben Willy Jaeckels „Liegendem Akt“ für Bruno Krauskopfs Aquarell „Bauernhäuser zwischen Bäumen“ (Inv.-Nr. 423), ein Ölgemälde auf Holz von Wilhelm Kohlhoff mit dem Titel „Stillleben mit Blumen und Früchten am Fenster“ (Inv.-Nr. 421, Standort unbekannt) sowie das Aquarell „Die Familie des Malers“ von Ernst Wilhelm Nay (Inv.-Nr. 424, heute Berlinische Galerie).

Über Max Seidel ist bislang wenig bekannt. Er war Textilkaufmann und sammelte seit den 1920er-Jahren Kunst. In den Berliner Adressbüchern 1940 und 1943 ist er unter der Adresse Kurfürstendamm 48/49 mit der Berufsbezeichnung „Kaufmann“ gelistet, verbrachte die Jahre der NS-Zeit also mit offiziell gemeldeter Adresse in Berlin. Somit ist seine Person weder identisch mit dem zu jener Zeit und zuvor unter abweichender Adresse nachweisbaren Buchdrucker Max Seidel, der aus politischen Gründen im Konzentrationslager Oranienburg inhaftiert war, noch mit dem Politiker und Kunsthistoriker gleichen Namens.

Drei der vier von Max Seidel der Galerie des 20. Jahrhunderts gestifteten Gemälde stammen von Künstlern aus dem Kreis der Ateliergemeinschaft, die 1913/14 in der Leonhardtstraße 19 in Berlin-Charlottenburg ansässig war. Bruno Krauskopf, Harry Deierling, Oskar Moll, Curt Herrmann, Ernst Fritsch, Wilhelm Kohlhoff, Franz Heckendorf und Willy Jaeckel waren hieran beteiligt. Es liegt nahe, dass ein Zusammenhang zwischen Sammler und Ateliergemeinschaft bestand: Wahrscheinlich hatte Seidel diese Werke seiner Sammlung aufgrund persönlicher Bekanntschaft mit den Künstlern in den 1920er-Jahren erworben.

Im Jaeckel-Werkverzeichnis von Dagmar Klein L5 ist angegeben, dass sich „Liegender Akt“ 1929 bei der Galerie Hartberg in Berlin befand. Die Bestände der 1925 gegründeten Galerie Victor Hartberg wurden am 11. Oktober 1933 im Internationalen Kunst- und Auktionshaus in der Kurfürstenstraße 79 in Berlin „wegen Auflösung der Firma“ versteigert. Otto von der Heyde übernahm daraufhin die Galerieräume am Schöneberger Ufer 41.L6 Das Jaeckel-Bild ist jedoch nicht im Versteigerungskatalog der Hartberg-Galeriebestände aufgeführt.L7 Demzufolge hatte das Gemälde schon vor dem Auktionsdatum die Galerie Hartberg verlassen, wurde vermutlich entweder von Max Seidel direkt bei Hartberg erworben oder zunächst dem Künstler als unverkauft zurückgegeben und von jenem direkt an Max Seidel überstellt.

Recherche: HS | Text: CT

Außenrahmen oben Mitte rechts: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts
Außenrahmen rechts, Bleistift: 19. Meter [?]
Keilrahmen oben Mitte, Stempel: Schröter & Co. / Spazial-Geschäft für Kunstmaterialien, Charlottenburg / Nr. 14 Hardenbergstrasse
Keilrahmen oben rechts, Bleistift: 99

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 28.9.1959

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 3 (Depot O)

Q3 Niederschrift über die Annahme einer Sachzuwendung, 5.11.1959, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0800-01-033.1.2

Q4 Brief Prof. Eduard Ludwig an Adolf Jannasch, 26.10.1953, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0800-01-033.11

Q5 Senatsinterne Mitteilung Adolf Jannaschs betreffend Stiftungen an die Galerie, 5.11.1959, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 10-0302-04-31.253.1

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 92

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 111

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 111

L4 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 102

L5 Dagmar Klein, Der Expressionist Willy Jaeckel (1888–1944). Gemälde – Biographie – Künstlerbriefe. Werkverzeichnis, Köln 1989, Nr. 268

L6 Stefan Pucks, Die Kunststadt Berlin 1871–1945, Berlin 2007, S. 15 f.

L7 Galerie Victor Hartberg – wegen Auflösung der Firma. Gemälde neuer Meister, Auktion 185, 11.10.1933, Aukt.-Kat. Internationales Kunst- und Auktionshaus Berlin 1933