Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Willi Baumeister (1889–1955)
Femme, 1930

Öl auf Leinwand
120 x 58 cm

Standort
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

1951 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 180 DM

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Linienfigur (Frau); Femme 1930

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unbezeichnet

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: B 61
Inventar Land Berlin: 61

Werkverzeichnis-Nummer
Beye/Baumeister WV 500; Grohmann WV 301

Foto: Anders, Jörg P. / © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Provenienz
Anfang 1930 im Besitz des Künstlers
bis Mai 1930 Galerie Bonaparte, Paris, in Kommission vom Künstler Q7
ab Mai 1930 Albrecht Fürst von Urach-Württemberg, in Verwahrung für den Künstler Q8
ab spätestens 1931 zurück im Besitz des Künstlers, Atelier Baumeister, Städelschule, Frankfurt am Main Q6
nach 1946 bis 1951 Galerie Gerd Rosen, Berlin L7
1951 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben bei der Galerie Rosen, 17. Auktion, Oktober 1951 Q1 Q3
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Spätestens seit seiner Teilnahme an der Ausstellung „L’Art d’aujourd’hui“ 1925 war Willi Baumeister der Stadt Paris auch künstlerisch verbunden. 1927 zeigte die Galerie d’art contemporain am Boulevard Raspail erstmals eine umfassende Ausstellung seines Werks, die auf „sehr viel Interesse seitens der franz. Maler“ stieß (vgl. Tagebucheintrag Baumeisters vom 6.1.1927, Tagebücher im Besitz des Archivs Willi Baumeister, Stuttgart). Die Monate Januar bis März 1930 verbrachte Baumeister in Paris, wo er im Atelier von Hans Stocker arbeitete. Im Frühjahr 1930 fand eine Ausstellung mit (mindestens neun) neuen Arbeiten Baumeisters bei der Galerie Bonaparte statt, darunter auch das wenige Wochen zuvor entstandene Gemälde der Linienfigur „Femme“. Nach der Ausstellung ging eines der gezeigten Bilder in den Besitz der Galerie Bonaparte über, zwei erhielt Léonce Rosenberg (zwischengelagert im Atelier Stocker), und sechs – mit dabei „Femme“ – übernahm Baumeisters Freund Albrecht Fürst von Urach zur Zwischenlagerung in sein Pariser Atelier, 65 Boulevard Arago.Q7 Im Mai 1930 schrieb er an den Künstler: „Gestern holte ich die Bilder aus der Galerie Bonaparte. Van Oijen ließ die Ausstellung noch einige Tage hängen. Ich holte sechs Bilder, 2 davon […] ließ Cahier d’art (Zervos) heute bei mir abholen. […] Ich habe nun in meinem Atelier folgende Bilder stehen: 1. Femme 1930, 2. parleur bleu 1930, 3. le peintre, 4. tableau A aux bandes blanches. Die übrigen Bilder stehen noch in der Galerie Bonaparte.“Q8 Die bei Fürst von Urach untergestellten Bilder wurden von dort direkt zu Baumeister nach Frankfurt am Main zurücktransportiert: Auf einem in seinem Atelier in der Neuen Mainzer Straße aufgenommenen Foto von um 1930 ist „Femme“ zu sehen,Q5 ebenso auf einem Foto von 1931 aus der Städelschule.Q6

Nachdem Baumeister 1933 aus seiner Professur an der Städelschen Kunstschule entlassen worden war, wohnte er mit Familie im Elternhaus seiner Frau in Stuttgart. Das Haus, in dem er auch arbeitete, wurde zum Treffpunkt für regionale und internationale Künstler, Kunsthistoriker, Sammler, Architekten, Musiker und Kunststudenten. Mit Räumung des Ateliers in der Städelschule erfolgte eine erste Verpackung und Auslagerung der Kunstwerke Baumeisters. In seinem Tagebuch schrieb der Künstler am 6. April 1933: „Das Atelier ist geräumt. Ich verlasse es endgültig. […] 9 Bilderkisten und Staffelei gehen zum unterstellen.“ Es ist nicht bekannt, wohin und für wie lange Zeit diese Auslagerung erfolgte, aber da das Gemälde „Femme“ erst nach dem Krieg nachweislich wieder öffentlich gezeigt wurde, war es vermutlich unter den ausgelagerten Bildern. 1937, mit Einberufung zum Kriegsdienst, lagerte Baumeister rund neunzig weitere Gemälde, Zeichnungen, Lithographien und Aquarelle in die Kunsthalle Basel aus, um sie vor dem NS-Zugriff zu schützen. Diese Werke wurden jedoch erst 1954 wieder freigegeben, somit ist ausgeschlossen, dass „Femme“ (bereits 1951 in Berlin für die Galerie des 20. Jahrhunderts erworben) dazugehörte. Baumeister nahm während des Krieges weitere Auslagerungen seiner Kunst nach Urach und Horn vor: „Ich hatte Gelegenheit endlich die Bilderkisten mit den Arbeiten von 1944 nach Urach zu bringen […] Aber die Sorge um die Erhaltung des bereits Geschaffenen fällt ebenfalls ins Gewicht: 6 Bilderkisten in Horn [bei Radolfzell/Bodensee] bei Ruggli ‚Zum Hirschen‘“ (Tagebucheintrag vom 20.3.1945). „Femme“ könnte in den nach Horn ausgelagerten Kisten gewesen sein.

Es gelang Baumeister, in der NS-Zeit weiterhin als freischaffender Künstler zu arbeiten. Während er vor dem Krieg vor allem bei den Galeristen Walden, von Garvens, Flechtheim, Möller, Rosenberg und Neumann ausgestellt hatte, arbeitete er nach 1945 enger mit den Galerien Rosen (seit 1946) und Möller (seit 1952) zusammen. Baumeister gehörte zu den ersten Künstlern, die Gerd Rosen nach der Eröffnung seiner Galerie in Berlin 1945 vertrat. 1946 und 1947 stellte er Baumeister in einer Gruppenschau aus, im November 1946 fand eine Baumeister/Schlemmer-Ausstellung statt, und 1948/49 entstanden Pläne für eine große Einzelausstellung, vermittelt durch Will Grohmann: „Heute eröffnete Rosen seine neuen Räume am Zoo, die einzig würdige Galerie. Franz ist ein Pferdestall, Schüler wohnt, wo die Füchse sich gutenacht sagen und die Bremer hat auch in der 4. Etage eine Wohnung. Aber Rosen hat auch eine Galerie, und ich wollte, dass Du bei Rosen gross ausstellst. Transportmöglichkeiten gibt es. Evtl. per Flugzeug. Den Transport würde Rosen zahlen, selbstverständlich“ (Brief Will Grohmanns an Willi Baumeister, 9.4.1949, Archiv Grohmann, Kunstarchive an der Staatsgalerie Stuttgart, Kasten 94). Baumeister sagte ab, weil ihm die Zeit fehlte, hielt die Handelsbeziehung mit Rosen aber aufrecht. 1951 erwarb die Galerie des 20. Jahrhunderts das Gemälde „Femme“ auf einer Auktion der Galerie Rosen.

Recherche: CT | Text: CT

W. Baumeister femme 1930

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 31.10.1951

Q2 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 3 (Depot S)

Q3 Ankaufsbestätigung Adolf Jannasch an Gerd Rosen, 6.12.1951, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1627

Q4 Schwarz-Weiß-Fotographie: Atelier Baumeister [mit „Femme„], Neue Mainzer Straße in Frankfurt am Main, Anfang 1930 [von Willi Baumeister datiert], Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, Foto Nr. ab_f_0218

Q5 Schwarz-Weiß-Fotografie: Atelierwand [mit „Femme“], Frankfurt am Main, um 1930, Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, Foto Nr. ab_f_0384

Q6 Schwarz-Weiß-Fotografie: Willi Baumeister und Brian Fitzgerald im Atelier Baumeisters in der Städelschule Frankfurt am Main [mit „Femme“ an der Wand], 1931, Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, Foto Nr. ab_f_0386

Q7 Ausgangsbuch bis 1935 [geführt von Willi Baumeister], Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, SK XVI

Q8 Brief Albrecht Fürst von Urach-Württemberg an Willi Baumeister, Mai 1930, Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, Korrespondenz

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1953, Nr. 83

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 7

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 7

L4 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 11

L5 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 21

L6 Sélection. Chronique de la vie artistique. Cahier No XI: Willi Baumeister, Paris, Januar 1931, Abb. S. 58 (keine Provenienzangabe)

L7 Aukt.-Kat. Galerie Gerd Rosen, Berlin, Auktion XVII, Oktober 1951, Nr. 1111 (keine Provenienzangabe)

L8 Will Grohmann, Willi Baumeister [Werkverzeichnis], Stuttgart 1963, Nr. 301

L9 Peter Beye und Felicitas Baumeister, Willi Baumeister. Werkkatalog der Gemälde, 2 Bde., Ostfildern 2002, Nr. 500