Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Oskar Moll (1875–1947)
Stillleben mit Gläsern, 1929/30

Aquarell, Kreide und Bleistift auf Papier
Blattmaß 28,0 x 11,0 cm

Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

1966 erworben durch das Land Berlin
Inventarwert: 600 DM (1966 erworben als Teil des Schenkungskonvoluts, Sammlung Evert, Nr. 7)

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Der Querschnitt

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten rechts, Signatur: Oskar Moll

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: 841
Inventar Land Berlin: 841
Weitere Nummern: 841/7; 841/68

Foto: Büttner, Wolfram / © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Provenienz
bis 1955 Heinrich Evert, Berlin
1955 bis 1966 Gertrud Evert, Berlin, per Erbschaft Q5
1966 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben von Gertrud Evert, Teil des Schenkungskonvoluts Sammlung Evert, Nr. 7 Q1
1968 bis 1986 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Sammlung der Zeichnungen)
seit 1986 (mit Übergabe der Sammlung der Zeichnungen) als Dauerleihgabe des Landes Berlin im Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Die West-Berliner Galerie des 20. Jahrhunderts enthielt fünf Werke des Malers Oskar Moll aus den Jahren 1921 bis 1941. Ein Ölgemälde und diese hochschlanke Zeichnung eines Stilllebens, auch „Der Querschnitt“ betitelt, stammen aus der Sammlung Heinrich Evert, die 1966 durch Vermächtnis seiner Witwe Gertrud Evert in die Galerie gelangte.Q5 Q8 Q9 Oskar Moll war 1907 nach Paris gegangen, wo er gemeinsam mit seiner Frau Marg Moll und Hans Purrmann im folgenden Jahr die Académie Matisse gründete. 1918 wurde er als Professor an die Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau berufen, die er ab 1925 bis zu ihrer Schließung 1932 leitete. Während seiner Zeit an der Breslauer Akademie verkaufte Moll viele seiner Bilder an private Sammler aus Breslau und Umgebung.

Zu diesen zählte auch Heinrich Evert, der lange in Jauer (Jawor, heute Polen) wohnte und aufgrund seiner Leidenschaft für aktuelle Kunst Verbindung zu den Künstlern der Akademie im nahe gelegenen Breslau pflegte. Zahlreiche dort tätige Kunstschaffende, darunter Oskar Moll und Georg Muche, waren – oft mit mehreren Werken – in seiner Sammlung vertreten. Hinzu kamen Arbeiten von Kurt Schwitters, Otto Mueller, Alexander Camaro, Karl Schmidt-Rottluff, Werner Heldt und zahlreichen anderen, mit denen den Sammler vielfach eine oft langjährige Freundschaft verband. Die Werke für seine Sammlung erwarb Heinrich Evert zum größten Teil direkt bei den Künstlern.

Heinrich Evert (Hannover 1879–1955 Berlin) sammelte in den 1920er- bis 1950er-Jahren Werke deutscher Künstler der Moderne. Ausgebildet an der hannoverschen Kunstgewerbeschule und der Baugewerkschule in Buxtehude sowie den Technischen Hochschulen in Berlin und Hannover hatte er seine Laufbahn im öffentlichen Dienst 1905 als Abteilungsleiter der Hochbauabteilung beim Stadtbauamt Jena begonnen. 1910 wurde er zum Stadtbaurat in Jauer berufen, wo er von 1927 bis 1934 auch das Amt des Bürgermeisters bekleidete. In seiner Zeit dort setzte Evert sich vor allem für kulturelle und soziale Belange ein und wirkte am modernen Siedlungsbau mit. Nach Januar 1933 geriet er „als Nichtparteigenosse und Freimaurer“, wie er sich selbst bezeichnete,Q10 ins Visier der NSDAP; im Oktober 1934 legte er sein Amt in Jauer nieder und siedelte nach Berlin um. Hier war er von 1936 bis 1945 als kommunaler Berater der Wehrkreisverwaltung III tätig und wurde 1946 zum Bezirksrat und Leiter der Abteilung für Bau- und Wohnungswesen im Bezirksamt Berlin-Wilmersdorf berufen. Ab 1951 wirkte Evert als Bezirksstadtrat. Bis zu seinem Tod 1955 wohnte er in der Rudolstädter Straße 100 in Wilmersdorf.

Dass Adolf Jannasch, Leiter der Galerie des 20. Jahrhunderts, Evert persönlich kannte, zeigt der Eintrag in seinem Sammler-Notizbuch: „Evert / ‚Bauen und Wohnen‘ / Schwitters, Heldt, Moderne, Müller, Muche, Camaro“.Q7 Diese Bekanntschaft mag Everts Beschluss, der Galerie seine Sammlung anzuvertrauen, bekräftigt haben. So legte der kinderlose Baurat testamentarisch fest: „Ich setze als Erben meiner gesamten Kunstgegenstände (Gemälde, Graphiken, Plastiken, Sammelmappen, kunstgewerbliche Gegenstände und einschlägige Literatur) das Land Berlin ein. Für die Betreuung dieser Kunstwerke soll die Galerie des XX. Jahrhunderts zuständig sein“.Q8 Diesem Wunsch folgend, hinterließ seine Witwe Gertrud Evert, geborene Fangauf, mit ihrem Tod 1966 dem Land Berlin 117 Gemälde, Zeichnungen und graphische Blätter.Q5 Vereinzelte Werke scheint Heinrich Evert auch dem Stadtmuseum Berlin vermacht zu haben.

Recherche: HS/CT | Text: CT

Rahmen oben rechts, Aufkleber: G. Evert / Berlin Wilmersdorf / Rudolstädter Str. 119
Rahmen oben rechts: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, erworben Juni 1966

Q2 Liste der Zeichnungen und Aquarelle aus der ehemaligen Galerie des 20. Jahrhunderts, die 1986 aus dem Bestand der Neuen Nationalgalerie (Sammlung der Zeichnungen) an das Kupferstichkabinett (West) übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, B 841

Q3 Karteikarte Sammlung der Zeichnungen (West), Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett

Q4 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 1 (Depot A)

Q5 Erbvertrag zwischen Gertrud Evert und dem Land Berlin, 1.8.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0601-02-010.1 ff.

Q6 Bestandsliste Sammlung der Zeichnungen, 1985/86, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q7 Sammler-Notizbuch Adolf Jannasch, Privatbesitz

Q8 Protokoll für notarielle Beurkundungen, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, 1.8.1958, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0601-02-000

Q9 Brief Gertrud Evert an Senator Joachim Tiburtius, 18.2.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 04-0601-02-008.2

Q10 Lebenslauf Heinrich Evert, 14.10.1945, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-000

L1 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 149