Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Philipp Franck (1860–1944)
Apoll und Daphne, 1920er-Jahre

Radierung und Kaltnadel auf Papier
Darstellung 26,1 x 34,9 cm; Blattmaß 33,2 x 42,8 cm

Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

1958 erworben durch das Land Berlin

Weitere Werkdaten

Abweichende Titel
Die Laterne (der arme Vetter, Bild XI)

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
unten rechts, Bleistift: Philipp Franck

Inventarnummern
Staatliche Museen zu Berlin: 29/6
Inventar Land Berlin: 273
Hauptverzeichnis Senat: 29/3
Weitere Nummern: 29/16

Foto: Büttner, Wolfram / CC BY-NC-SA
Provenienz
bis 1958 Karl Morvilius, Berlin Q4
1958 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, Schenkung von Karl Morvilius Q1
seit 1968 als Dauerleihgabe des Landes Berlin im Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Diese Radierung von Philipp Franck, eine Darstellung der Verfolgung Daphnes durch den liebestollen Apoll, wurde in der Sammlung der Galerie des 20. Jahrhunderts ohne Datierung geführt. Sie dürfte jedoch in den 1920er-Jahren entstanden sein, da sich der Künstler um 1920 bis 1924 verstärkt für mythologische Themen interessierte und mit den alten Meistern, insbesondere Peter Paul Rubens, auseinandersetzte. Dieser Einfluss ist in dem Blatt deutlich erkennbar. Der 1860 in Frankfurt am Main geborene Franck hatte neben seiner freien künstlerischen Arbeit stets als Kunstlehrer gearbeitet, zuletzt als Direktor der Königlichen Kunstschule in Berlin. Nach seiner Pensionierung 1925 schrieb er eine Autobiografie, die 1944, in seinem letzten Lebensjahr, unter dem Titel „Ein Leben für die Kunst“ veröffentlicht wurde.

1958 erhielt die Galerie des 20. Jahrhunderts Francks „Apoll und Daphne“ als Schenkung von Karl Morvilius in Berlin. Die Quellen geben keine Auskunft darüber, wo Morvilius diese Radierung und die drei anderen von ihm im selben Jahr zugeeigneten druckgraphischen Werke erwarb. Zu seiner Person brachten die Recherchen jedoch umfangreiche Ergebnisse.Q9 Q10 Q11 Karl Morvilius (1883–1960) war ein am Rhein geborener, seit spätestens 1933 in Berlin ansässiger Schauspieler, der vor allem in Filmen der NS-Zeit seine Rollen spielte. Er war kein NSDAP-Mitglied, gehörte aber seit 1929 der Reichsfachschaft Film und dem Fachverband der Reichsfilmkammer an. Er führte eine kinderlose Ehe mit der Kunstgewerblerin Gretchen Morvilius, geborene Gröting. Als Bühnenschauspieler hatte Morvilius nur zeitweise Engagements (1928–1931 Intimes Theater Nürnberg, 1935–1937 Theater in der Saarlandstraße Berlin, 1938 Deutsches Theater Berlin), dazwischen lagen lange Phasen ohne Verdienst. Während der NS-Zeit befand er sich permanent in Geldnöten und lebte von der Künstlerfürsorge „Spende Künstlerdank“. Da er sich regelmäßig gegen die Reichsfilmkammer auflehnte, der er mangelnde Bemühungen in seiner Sache unterstellte, wurde er mehrfach aktenkundig. Trotzdem sprach man ihm die Künstlerdank-Unterstützung mit folgender Erklärung zu: „[Morvilius] befindet sich in außerordentlich schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen, die dadurch besonders erschwert sind, daß er für seine kranke Frau zu sorgen und größere Schulden abzulösen hat.“Q11

Neben seiner schauspielerischen Arbeit scheint Morvilius auch als bildender Künstler tätig gewesen zu sein.Q10 1958 schrieb Adolf Jannasch an die Berliner Kunstbibliothek: „Wie ich Ihnen neulich schon berichten konnte, hat der Maler Karl Morvilius […] der Galerie des 20. Jahrhunderts einige graphische Blätter gestiftet, und da er auch einige japanische Holzschnitte einem Berliner Museum ebenso stiften wollte, habe ich die Kunstbibliothek Herrn Morvilius vorgeschlagen. Herr Morvilius war so freundlich, mir neulich 4 Blätter – und zwar 3 Schauspielerportraits und das Halbfigurenbild einer Frau – für die Kunstbibliothek zu übergeben. Diesen 4 Blättern fügte er noch hinzu eine Radierung nach einer angeblich verschollenen Zeichnung von Lucas Cranach – eine Szene aus dem Leben des heiligen Julianus. Ich übergebe Ihnen hiermit diese Stiftung des Malers Morvilius.“Q8

Im Erwerbungsbuch der Kunstbibliothek verzeichnete Eckart Berckenhagen am 27. Juni 1958 fünf Blatt Graphik als Schenkung, vermittelt durch Dr. Adolf Jannasch (freundliche Mitteilung von Daniela Kratz, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, 4.2.2013).Q7

Recherche: HS | Text: CT

unten links: Aufkleber der Galerie des 20. Jahrhunderts

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 25.4.1958

Q2 Karteikarte Druckgraphik (West), Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, 29/6

Q3 Übergabelisten Kästen Graphik an das Kupferstichkabinett, 1968, Kasten B 6, S. 8, 29/16, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 11-0201-00-001 ff.

Q4 Briefwechsel zwischen Adolf Jannasch und Karl Morvilius, 28.5.1958–23.6.1958, Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, II B/Galerie des 20. Jahrhunderts – Land Berlin 6, Bl. 76–81, bes. Bl. 82

Q5 Übersicht der Ankäufe der Galerie des 20. Jahrhunderts, Rechnungsjahr 1958/59, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 10-0302-05-394

Q6 Liste der Zeichnungen und Aquarelle, die am 5.6.1968 aus dem Bestand der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, Kasten B 9, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, und Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 11-0201-00-053

Q7 Erwerbungsbuch Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin, 27.6.1958, Nr. 29 [Eintrag Eckart Berckenhagen]

Q8 Brief Adolf Jannasch an Günter Arnolds, Kunstbibliothek, 27.6.1958, Staatliche Museen zu Berlin, II/Zentralarchiv, VA 14127

Q9 Angebotsschreiben Karl Morvilius an die Reichsfilmkammer, 1940/41, Bundesarchiv Berlin, VBS 229, Nr. 2672000202 RK/Filmnachweis, Angebotsschreiben, Film-Nr. RK U 66

Q10 Entnazifizierungsakten Karl und Gretchen Morvilius, Bundesarchiv Berlin, VBS 243, Nr. 2703017349, E

Q11 Personalakte Karl Morvilius, Reichsfilmkammer, Bundesarchiv Berlin, VBS 159, Nr. 2600014117, RK/Fachschaft Film, Film-Nr. RK J74.

Q12 Karteikarte Senat, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin

L1 Mareike Hennig, „So groß, daß sie nicht geschätzt werden kann“. Philipp Francks Druckgraphik, in: Vom Taunus zum Wannsee. Der Maler Philipp Franck (1860–1944), Ausst.-Kat. Museum Giersch Frankfurt am Main, Petersberg 2010, S. 63–69, hier bes. S. 67