Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Willy Jaeckel (1888–1944)
Selbstbildnis, 1930

Aquarell und Pastell auf Pappe
Blattmaß 67,5 x 57,5 cm

Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

1949 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 600 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
oben links: W. Jaeckel / Hiddensee 30

Inventarnummern
Inventar Land Berlin: 6 a
Weitere Nummern: 6a; 3/17

Werkverzeichnis-Nummer
Klein WV 467

Foto: CC BY-NC-SA
Provenienz
bis mindestens 1931, wohl bis 1944 im Besitz des Künstlers L8 L9
bis 1949 Privatbesitz Berlin, wohl identisch mit Peter Jaeckel, Berlin Q11
1949 Galerie Gerd Rosen, Berlin Q5 Q9 Q10 Q11 Q12
1949 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben bei der Galerie Rosen Q1
1968 bis 1986 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Sammlung der Zeichnungen)
seit 1986 (mit Übergabe der Sammlung der Zeichnungen) als Dauerleihgabe des Landes Berlin im Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
„Willy Jaeckel interessiert am lebendigsten mit dem ernsthaft durchgearbeiteten, pastellierten Selbstbildnis“,L9 so rezensierte die Zeitschrift „Kunst und Künstler“, als das Pastell 1931 in der „Herbstausstellung“ der Berliner Akademie der Künste zu sehen war.L8 Ob das hier als verkäuflich präsentierte Werk einen Abnehmer fand, ist nicht belegt, denn die Akten zur Herbstausstellung 1931 haben sich – im Gegensatz zu jenen der Frühjahrsausstellung desselben Jahres – nicht erhalten (freundliche Mitteilung von Ulrike Möhlenbeck, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, 14.1.2013). Die Nachkriegsgeschichte des „Selbstbildnisses“ lässt jedoch vermuten, dass es wahrscheinlich unverkauft an den Künstler zurückgesandt wurde und bis zu seinem Tod dessen Eigentum blieb.

Als Peter Jaeckel (1914–1996) 1946 im „Sonntag“ einen Beitrag über seinen Vater Willy, der bei einem Bombenangriff 1944 ums Leben gekommen war, veröffentlichte, illustrierte er ihn mit einer Abbildung dieses „Selbstbildnisses“ und versah es mit dem Vermerk „bisher unveröffentlichtes, leider zerstörtes Werk“.L6 Offenbar ging Peter Jaeckel also zu jener Zeit noch davon aus, dass das Bild sich in dem im Januar 1944 zerstörten Privatatelier seines Vaters befunden hatte. Auch der Berliner Galerist Gerd Rosen berichtete Adolf Jannasch anlässlich des Ankaufs im März 1949, dass der Sohn Jaeckel das Bild zunächst für verschollen gehalten habe.Q11

Einige Werke jedoch befanden sich auch im Zweitatelier Willy Jaeckels in der Hochschule für Kunsterziehung in Berlin, das einige Monate später, im November 1944, ebenfalls ausbrannte. Nach Kriegsende kontaktierte Peter Jaeckel den Präsidenten der Hochschule: „Im Nov. vergangenen Jahres brannte das Atelier m. Vaters in der Hochschule für Kunsterz. zum grossen Teil aus. Hierbei sind die grössten seiner Oelbilder verbrannt. Nur eine verhältnismässig kleine Anzahl von Pastellen, Oelbildern u. Radierungen sind gerettet worden. Sie stehen jetzt in dem tür- und fensterlosen Keller der Hochschule. Es gelang mir bei meinem Aufenthalt in Bln. nicht, dieselben von dort wegbringen zu lassen. Ich wollte die geretteten Werke in das Sommerhaus nach Hidd. schaffen.“Q13 Peter Jaeckel bat den Präsidenten um Unterstützung bei der Organisation des Transportes dieser Werke nach Hiddensee, wo Willy Jaeckel ab 1937 ein Haus besessen hatte, in dem er während der Sommermonate arbeitete. An diesen Rückzugsort hatte der Künstler vor Beginn des alliierten Bombardements einen Teil seiner Werke evakuiert, die den Krieg unbeschadet überdauerten. Hier versammelte Peter Jaeckel 1945 die Reste des Künstlernachlasses, zu dem das kurzzeitig verschollen geglaubte „Selbstbildnis“ wohl zu zählen ist. Aus diesem Nachlassbestand veräußerte Peter Jaeckel in den Folgejahren sukzessive Kunstwerke seines Vaters, offenbar auch an die Galerie Rosen, in der Jannasch das „Selbstbildnis“ 1949 für die Galerie des 20. Jahrhunderts erwarb. Schriftliche Nachweise über die Verkäufe haben sich jedoch nicht erhalten (freundliche Mitteilung von Dagmar Elsässer-Klein, 31.1.2013).

Recherche: HS | Text: HS

unbezeichnet

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 22.3.1949

Q2 Liste der Zeichnungen und Aquarelle aus der ehemaligen Galerie des 20. Jahrhunderts, die 1986 aus dem Bestand der Neuen Nationalgalerie (Sammlung der Zeichnungen) an das Kupferstichkabinett (West) übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, B 6 a

Q3 Karteikarte Sammlung der Zeichnungen (West), Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett

Q4 Liste der Kunstwerke, die am 6.6.1968 aus dem Depot der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Bl. 2 (Depot H)

Q5 Ankaufsbestätigung [23.3.1949] und Rechnung [24.4.1949] in der Ankaufskorrespondenz zwischen Adolf Jannasch und Gerd Rosen, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1445

Q6 Liste Platten – Kasten I, Galerie A–K, 25.7.1957, Archiv Berlinische Galerie, DE BG Gal 02-0204-02-040.1 bis -040.3, Nr. 35

Q7 Bestandsliste Sammlung der Zeichnungen, 1985/86, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q8 Protokoll der Ankaufskommission, 22.3.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1446

Q9 Brief Adolf Jannasch an Gerd Rosen, 21.2.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1627

Q10 Rechnung der Galerie Rosen, 16.2.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1627

Q11 Brief Gerd Rosen an Adolf Jannasch, 16.2.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1627

Q12 Ansichtsrechnung Gerd Rosen, 16.2.1949, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1627

Q13 Brief Peter Jaeckel an den Präsidenten der Hochschule für Kunsterziehung Berlin, [1945], Kopie in den Unterlagen von Margit Bröhan, Archiv Bröhan-Museum, Berlin

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1953, Nr. 37

L2 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1958, Nr. 89

L3 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1960, Nr. 93

L4 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 112

L5 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 102

L6 Peter Jaeckel, Mein Vater Willy Jaeckel, in: Sonntag, 21.7.1946, S. 6

L7 Dagmar Klein, Der Expressionist Willy Jaeckel (1888–1944). Gemälde – Biographie – Künstlerbriefe. Werkverzeichnis, Köln 1989, Nr. 467

L8 Herbstausstellung, Ausst.-Kat. Preußische Akademie der Künste zu Berlin 1931, Nr. 170

L9 Die Herbstausstellung der Akademie, in: Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe 30/1931, S. 102 f., hier S. 102

L10 Wolfgang Hartmann, Willy Jaeckel (1888–1944), der Berliner Maler aus Breslau, in: Schlesische Nachrichten 15/16/2004, S. 20 (mit Abb.)