Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin
Ein Provenienzforschungsprojekt


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Ernst Wilhelm Nay (1902–1968)
Herbstlied, 1945

Aquarell, Gouache und Deckfarben auf Zeichenkarton
Blattmaß 55,0 x 50,0 cm; Bildmaß 50,50 x 45,00 cm

Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

1962 erworben durch das Land Berlin
Ankaufspreis: 11.500 DM

Weitere Werkdaten

Bezeichnung Vorderseite / Sichtfläche
oben links: Nay 45

Inventarnummern
Inventar Land Berlin: 538
Weitere Nummern: 538; 39/538

Foto: Anders, Jörg P. / © Elisabeth Nay-Schreiber, Köln / VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Provenienz
1946 Galerie Günther Franke, München L3
USA Q9
Klipstein & Kornfeld, Bern Q9
bis 1962 Galerie Michael Hertz, Bremen Q9
1962 bis 1968 Galerie des 20. Jahrhunderts, Berlin, erworben bei der Galerie Hertz Q1
1968 bis 1986 als Dauerleihgabe des Landes Berlin in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Sammlung der Zeichnungen)
seit 1986 (mit Übergabe der Sammlung der Zeichnungen) als Dauerleihgabe des Landes Berlin im Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Die Kriegszeit, in der Ernst Wilhelm Nay als Kartenzeichner seinen Wehrdienst in Frankreich ableistete, war eine künstlerisch nicht unproduktive Phase für den Maler. Immer wieder konnte er in den Jahren ab 1940 dem befreundeten Kunsthändler Günther Franke von neuen Ölbildern, Aquarellen und Gouachen berichten.L4 1946, als Franke ihn in seinem neuen Atelier in Hofheim im Taunus besuchte, wählte dieser einige jener Werke für eine erste Verkaufsausstellung in seiner Galerie in München aus, darunter die Gouache „Herbstlied“ von 1945. Elly Nay, die erste Frau des Künstlers, brachte die Werke im Juli 1946 direkt aus Hofheim zu Franke (vgl. S. 115 f., 140, 159, 161).L5

Zwischen Nay und Franke, der 1923 die Leitung von J. B. Neumanns Graphischem Kabinett in München übernommen hatte, bestand eine enge Beziehung. Nachdem sie sich 1931 kennengelernt hatten, blieben sie lebenslang befreundet; noch in den 1930er-Jahren übernahm Franke Nays Vertretung und handelte seine Werke in der NS-Zeit im Hinterzimmer. In den Kriegsjahren brachte er mit seinem Galeriebestand auch einige Bilder Nays in Sicherheit in einem Depot in München-Schwabing. Ab 1946 stellte Franke fast jährlich neue Arbeiten Nays in seiner Galerie aus, und auch in seiner privaten Kunstsammlung war der Künstler stark vertreten. Bei der Eröffnung seiner ersten Ausstellung bei Franke lernte Nay dessen Mitarbeiterin Elisabeth Kerschbaumer (geb. 1927) kennen, die 1949 seine zweite Frau wurde.

1962 schrieb Michael Hertz, der Nay von 1954 bis 1964 in seiner Galerie in Bremen vertrat, an Elisabeth Nay: „Es gibt übrigens noch ein weiteres, auch für Sie erfreuliches Ereignis: Dr. Jannasch hat für die ‚Galerie des 20. Jahrhunderts‘ die bedeutende Gouache-Malerei ‚Herbstlied‘ – 1945 angekauft, die durch mich via Klipstein & Kornfeld aus den USA nach Deutschland zurückgelangte.“Q9 Es ist gut möglich, dass Franke das Werk 1946 an einen der amerikanischen Besatzungssoldaten verkauft hatte, die damals zu seiner Kundschaft gehörten, und es so in die Vereinigten Staaten gelangte.

Recherche: CT | Text: CT

schwach erkennbar: Bleistiftskizze
Bleistift: #765-B

Q1 Inventarverzeichnis für Kunstwerke Berlins in der Nationalgalerie B 3000/306 [Inventar der Galerie des 20. Jahrhunderts (West)], 2 Bde., 1949–1982, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Eintrag vom 19.2.1962

Q2 Liste der Zeichnungen und Aquarelle aus der ehemaligen Galerie des 20. Jahrhunderts, die 1986 aus dem Bestand der Neuen Nationalgalerie (Sammlung der Zeichnungen) an das Kupferstichkabinett (West) übergeben wurden, o. D., Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, B 538

Q3 Karteikarte Sammlung der Zeichnungen (West), Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett

Q4 Protokoll der Übergabe der Bestände der Galerie des 20. Jahrhunderts an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz [Gemälde und Skulpturen aus den Verwaltungs- und Ausstellungsräumen der Galerie], 5.6.1968, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, S. 3

Q5 Liste Platten – Kasten III, Galerie M–R, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie, Ordner B: Vereinigte Kunstsammlungen

Q6 Korrespondenz zwischen Adolf Jannasch und Michael Hertz, Dezember 1961 ff. [einschließlich Ankaufsbestätigung, Lieferschein und Rechnung], Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels, Köln, Bestand Hertz A013_IV_34 (2/2)

Q7 Bestandsliste Sammlung der Zeichnungen, 1985/86, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie

Q8 Protokoll der Ankaufskommission, 9.2.1960, Landesarchiv Berlin, B Rep. 014-1893

Q9 Brief Michael Hertz, Bremen, an Elisabeth Nay, 5.3.1962, Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, NL Nay, I, C-123

L1 Die Galerie des 20. Jahrhunderts. Katalog, hrsg. vom Senator für Volksbildung, Berlin 1963, Nr. 177

L2 Verzeichnis der Vereinigten Kunstsammlungen: Nationalgalerie (Preußischer Kulturbesitz) und Galerie des 20. Jahrhunderts (Land Berlin), hrsg. von den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1968, S. 163

L3 E. W. Nay, Ausst.-Kat. Galerie Günther Franke München 1946, Nr. 55 („Herbstlied“ unter „Gouachen 1945/46“, ohne weitere Angaben)

L4 Doris Schmidt (Hrsg.), Briefe an Günther Franke, Köln 1970

L5 Elly Nay, Ein strahlendes Weiß, Berlin und Köln 1984